- Buy local: Sven Wiesner hat auf Pinterest Weihnachtsgeschenkideen made in Hamburg gesammelt. Gute Idee!
- Hurrahurra! Katja Lange-Müller hat den Kleist-Preis verliehen bekommen. Herzlichen Glückwunsch!
- Und die Hamburger Förderpreise stehen auch fest, sie gehen an Stefan Beuse, Kristine Bilkau, Ursula Menzer, Akin E. Sipal, Tobias Sommer und Silke Stamm. Die Förderpreise für literarische Übersetzungen erhalten Friederike Meltendorf, Joachim Bartholomae und das Team Ferdinand Leopold / Zuzanna Musialczyk. Ganz herzlichen Glückwunsch! Die Preisverleihung ist am 2. Dezember im Hamburger Literaturhaus. Es gibt Wein und man kann einfach hinkommen, ich mag die Veranstaltung immer sehr gern.
- Schönes Portrait der Verlegerin Sabine Dörlemann im Freitag.
- Die Deutsche Welle sieht ein Comeback von Leinen und Lesebändchen. Die Digitalisierung führt nämlich dazu, dass die Leute (auch) wieder sorgsam und schön gestaltete Bücher kaufen.
- Die Initiative Bruderhähne setzt sich dafür ein, dass männliche Legehennenküken nicht mehr sofort nach ihrer Geburt geschreddert werden. Sehr gute Sache.
- Lieber noch was Schönes mit Tieren: Bei Refe Tuma und seiner Familie war diesen Monat Dinovember. Wundervoll.
- Und zurück zur Literatur: Wer die Gelegenheit hat, das Wortart-Ensemble live zu sehen, geht da hin! Am besten noch zusammen mit Nora Gomringer.
Nach China, haben sie gesagt, fährt man ja wohl mit einem halbvollen Koffer und kommt mit einem vollen zurück. Da ist ja alles so herrlich billig! Und man kann sich Kleider auf den Leib schneidern lassen, kostet quasi nichts! Ich hab’s heute versucht. Okay, nur kurz, zwei-drei Stunden, denn sogenanntes „Shoppen“ macht mir zuverlässig schlechte Laune. Und wie sollte es auch nicht? Das ist ja zu Hause schon so, da wird es hier auch nicht anders sein. Wieso sollte ich überhaupt shoppen?
Erstens: In meiner Größe gibt es hier quasi nichts.

Zweitens: In meinem Geschmack auch fast nichts. Viele Chinesinnen haben ja etwas, was mir vollkommen abgeht, nämlich einen unbedingten Willen zur Niedlichkeit. Kaum eine Kopfbedeckung kommt ohne Kuscheltieröhrchen aus, auf Pullovern sind kleine Äffchen oder Kätzchen oder Tüdelütchen, es gibt sehr viel Rosa und Glitzer, und wenn nicht, dann doch zumindest große Schleifen am Hals und so weiter. Sogar die Handys haben niedliche rosa Plastiköhrchen.

Drittens: Seit Jahr und Tag predige ich, dass man kein billiges, unter teilweise grauenhaften Umständen produziertes Zeug aus Fernost kaufen soll. Dass ich jetzt selbst in Fernost bin, ändert daran natürlich nichts, das heißt, wenn ich zu Hause nicht bei H&M und GAP und uniqlo kaufe, dann tue ich das hier auch nicht, nur weil es hier noch billiger ist.

Viertens: Es gibt am anderen Ende der Skala natürlich auch die großen Designermarken. Also, die ganz großen. Chanel, Ferragamo, Prada, Fendi, Gucci. Ich war spaßeshalber vorhin kurz bei Armani, ein leichter, dünner Pullover kostete umgerechnet gut 300,- €. Ist das ein Schnäppchen? Keinen Schimmer, ist mir auch egal, nicht meine Preislage. (Hier alles nicht im Bild.)

Fünftens: Das mit dem Nähenlassen ist offenbar ein Fall für Shanghai oder Hong Kong, nicht für Nanjing.

Sechstens: Mein Kleiderschrank ist eh voll, was will ich denn noch? Nix will ich. Und sicher keinen rosa Plüschanzug aus Polyester mit Bommeln.

Siebtens: Einkaufszentren machen mich wahnsinnig.
Heute gekauft: Nix. Ich betrachte den Programmpunkt „Shoppen“ damit als erledigt. (Hey, ich habe mir in Shanghai ein blaues Hemd gekauft. Das muss reichen.)
was, bitte, ist das? Milch ist es jedenfalls nicht. Es besteht aber, wenn ich das richtig sehe, zu mindestens 80% aus Milch, außerdem enthält es (das sind die einzigen lateinischen Buchstaben auf der Packung): Bifidobacterium lactis, Lactobazillus bulgaricus und Streptococcus thermophilus. Ich bezweifle, dass ich es gekauft hätte, wenn ich vorher gesehen hätte, dass es Streptokokken enthält. Es ist ein bisschen schleimig, riecht aber nicht schlecht oder vergoren oder so. Ich tippe auf sowas wie Yakult. Das trinke ich gern, ich zögere aber noch, dies hier zu probieren. Kennt das jemand?
Heute Vormittag bin ich als erstes zum People’s Park marschiert, dem „pulsierenden Herzen der Stadt“. Vor dem Park bitten mich drei junge Damen, ein Foto von ihnen zu machen. Ich werde sofort brummig, mache ein einziges Bild, gebe ihnen die Kamera zurück und wende mich zügig ab. Woher ich komme, fragen sie noch, Deutschland, murmele ich schon halb im Gehen, aha, rufen sie mir hinterher, Guten Tag, aber da habe ich mich schon umgedreht und bin losmarschiert und mache eine abwinkende Handbewegung. Und ärgere mich sofort, vielleicht hätte ich das Spielchen noch ein bisschen mitspielen sollen, vielleicht hätte ich mal abwarten sollen, ob die Nummer mit der Teezeremonie kommt … sie wäre gekommen, natürlich wäre sie gekommen.






Montags Vormittags pulsiert im pulsierenden Herzen rein gar nüscht. Einige Männer spielen überraschenderweise Karten; normalerweise wird Mah Jang gespielt. Die meisten stehen drumherum, gucken zu und kommentieren das Spiel. Ich schlendere ein bisschen durch den Park – falsche Jahreszeit für den Lotosblumenteich, und auch sonst: so ein Park halt. Zwischen den Wolkenkratzern, bei strahlend blauem Himmel, immerhin. Ansonsten eher unterwältigend.
Nach der wunderbaren chinesischen Massage gestern will ich mir tatsächlich einfach noch eine Fußmassage leisten. In einer anderen Dragonfly-Filiale, im Kerry-Center, das hier irgendwo in der Nähe … noch ein Stück … noch weiter … Ich laufe ein ziemliches Stück, die Geschäfte werden eleganter, kleine Boutiquen, dann die großen, Miu Miu, Louis Vuitton, Ferragamo … da ist das Kerry-Center. Das Kerry-Center ist verdammt groß, es gibt mehrere Türme mit Einkaufszentren, Büros, Hotels, Restaurants, wasweißich. Vier verschiedene Infodamen haben noch nie was von Dragonfly gehört, finden es auch in ihren elektronischen Hilfsmitteln nicht und gucken mich an, als würde ich etwas Unanständiges suchen. Irgendwann gebe ich auf. Keine Fußmassage, und mein chinesisches Handy will leider nicht mehr ins Internet gehen, ich fürchte, ich habe mein Kontingent schon aufgebraucht. Also gehe ich stattdessen essen, bei Din Tai Fung (aye, aye, Meike), hervorragende Idee. Und beschließe dort, die U-Bahn auf die andere Flussseite zu nehmen und mir die Stadt zum Abschied noch von oben anzugucken. Es ist nämlich herrliches Wetter und gar kein Smog heute; ich glaube, es ist tatsächlich der blauste Himmel, den ich in China bisher gesehen habe.
Auf der anderen Flussseite steige ich aus der U-Bahn und stehe mitten zwischen diesen riesigen Hochhäusern. Vollkommen irre. Sie glitzern in der Sonne und gehen bis hoch in den Himmel. Um von oben runterzugucken, wähle ich den nächstgelegenen Turm, den Oriental Pearl Tower, den Fernsehturm. Den fünfthöchsten Fernsehturm der Welt. Super, dass kein Smog ist.



Vor ein paar Jahren waren wir in New York und sind dort bei schönem Wetter aufs Empire State Building gefahren. Als ich oben auf die Aussichtsplattform trat und die glitzernde Stadt mir zu Füßen lag, war ich einen Moment lang total ergriffen. Ich habe tatsächlich ein Tränchen verdrückt. So schlimm war es diesmal nicht – vielleicht ist Shanghai einfach zu viel. Man sieht von da oben rundum in alle Richtungen, 360°, nur Shanghai. Häuser, Häuser, Häuser, vor allem Wohn-Hochhäuser, bis zum Horizont, beziehungsweise bis sich alles im Smog verliert – hat der sich jetzt klammheimlich doch wieder eingeschlichen, oder sieht man ihn nur von oben besser? Jedenfalls: von oben runtergucken ist natürlich sowieso super, mache ich immer gerne, und das ist hier alles ganz schön wow. (Hallo Mama, ich weiß, was Du denkst: „Vaters Tochter“ denkst du. Jo.)





Und dann ist es auch schon Zeit, zum Hotel zurückzukehren, mein Gepäck zu holen und nach Hause nach Nanjing zu fahren. Für den Rückweg zum Hotel will ich den Tunnel nehmen, der mir von gleich zwei Seiten empfohlen wurde. Jemand sagte etwas von entweder Aquarien, oder sogar Glas, durch das man die Fische im Fluss sehen kann. Ähm – gibt es womöglich zwei Tunnel? Ich gerate jedenfalls in den, wo man gar nicht durchläuft, sondern mit einem Bähnchen fährt, und die Tunnelwände sind mit Licht- und Gruseleffekten versehen – Sternenblitze, wehende Vogelscheuchen, Diskogeflacker, Geisterbahngelächter, ein sensationell alberner Spaß, der nur fünf Minuten dauert.

Und dann: Gepäck holen, zum Bahnhof, und wieder nach Nanjing. Tschüss, Shanghai! Drei Betrugsversuche in drei Tagen hat noch keine Stadt geschafft, glaube ich, aber ich fand’s trotzdem super. Shanghai verabschiedet sich mit diesem Anblick.

Im übrigen empfehle ich dringend, sich dieses Shanghaibild nochmal anzugucken. Laden dauert ein bisschen, aber dann kann man dieselbe Ansicht von 1987 und heute ineinander überblenden. Das ist wirklich … überwältigend. Vollkommen irrwitzig.
Super Tag, alles haargenau so, wie ich das haben wollte. Gegen zehn Uhr gehe ich los, wieder den Bund entlang. Gestern Abend bin ich nur ein Stückchen auf dem Bund gelaufen und dann in die Nanjing Lu abgebogen, heute gehe ich den kompletten Bund hinunter bis zum Yu-yuan. Und mache dabei nochmal hundert Fotos von der Skyline auf der anderen Seite des Huangpu River, das ist einfach ein unwiderstehlicher Anblick.


*Das* ist die Richtung, in die es aufs Meer rausgeht!


Ungefähr hier, kurz vor dem Yu-Garten, sprechen mich drei junge Chinesen an, ein Mann und zwei Frauen, ob ich ein Foto von ihnen machen kann. Klar kann ich. Sie sprechen sehr gut Englisch, woher ich denn komme, und wo aus Deutschland, ach ja, sie essen gerne Hamburger, sagen sie und lachen. Ich sei ja ganz schön groß, stellt der Mann originellerweise fest, ob ich Model sei? Nein, sage ich, da bricht es geradezu aus ihm heraus: What a waste! Charmeur. Eine von ihnen lebt in Shanghai, die beiden anderen sind zu Besuch. Der Yu-Garten ist ihnen zu voll, sie gingen jetzt stattdessen zu einer Teezeremonie. Sie gucken sich an. Ob ich vielleicht mitwolle? Ich sage, ich will eigentlich in den Garten. Da sei es echt voll, und so eine Teezeremonie wirklich interessant, ob ich so etwas schon einmal gemacht hätte? Der Garten würde mir ja nicht weglaufen. Ich überlege kurz, man soll ja auch Sachen machen, gerade im Ausland und wenn man so allein unterwegs ist … aber dann denke ich, nee, am Ende wirste die nicht mehr los, außerdem habe ich mich jetzt auch auf meine Pläne gefreut. Ich lehne also ab und gehe meiner Wege. Die drei wirken geradezu ein wenig enttäuscht, und mir fällt erst hinterher auf: womöglich war das eine Masche, sie hätten mich rumgeführt und am Ende die Hand aufgehalten. Keine Ahnung. [Und ich schwöre: in der Sekunde, ich der ich dieses „keine Ahnung“ tippe, verlinkt Stephan einen alten Blogeintrag von Giardino, den ich längst vergessen hatte, und in dem er quasi wörtlich dieselbe Geschichte erzählt. Q.e.d.]

Ich hole mir ein Stück Melone am Spieß (gibt’s überall, hervorragende Einrichtung, kostet 2-3 ¥, das sind 25-35 Cent). Bevor man zum Yu-Garten gelangt, kommt man durch die Altstadt. Oder sagen wir: durch eine Art Disneyland für Touristen, wo in den alten Häusern Häagen Dasz, KFC und Starbucks sind, außerdem ein paar billige chinesische Restaurants und Ramschläden, andere Ramschläden und noch mehr Ramschläden. Dazwischen Menschen, Menschen, Menschen, ein einziges Geschiebe und Gedränge. Ich bin gut drauf und finde es lustig. Harro, Lady, want bag?, nein, ich möchte keine Tasche. Lady, lady, watch?, nein, auch keine Uhr, danke. Look, Lady! Oder vielleicht diese lustigen Rollen, die man sich unter die Ferse schnallt, um schneller voranzukommen? Selbst die lehne ich ab, obwohl … Harro, where you from? Denmark?





Ich erreiche das Teehaus, das in einem See steht, mit der Zickzackbrücke. Die Zickzackbrücke ist, wenn das geht, noch voller als das Drumherum. Vielleicht eine Schnapsidee, ausgerechnet an einem Sonntag herzukommen, aber es hat sich halt so ergeben. Die Brücke geht deswegen im Zickzack, weil böse Geister nur geradeaus gehen können. Man kann sie hier also prima abschütteln.
Ich löse ein Ticket für den Garten, und darin ist es gar nicht so voll wie erwartet. Und groß ist er! Hinter jeder Ecke geht es noch weiter und noch weiter, noch ein Pavillon, noch mehr von diesen löchrigen Steinen, Bäume, Häuschen, Seen, Teiche, Kois, Brücken, Pavillons mit Arbeitszimmern oder Kalligrafieausstellungen oder Jadefigürchen oder einfach nur zum Sitzen. Das ist alles ausgesprochen hübsch, die Sonne scheint, ich schlendere ziemlich lange herum und gucke und mache unzählige Bilder.















Und hier kommt jetzt ein guter Rat: Wenn eine kluge Frau Euch einen Rat gibt, hört darauf. Meike Winnemuth ist eine kluge Frau, und sie hat gesagt: wenn du in Shanghai bist, lass dich bei Dragonfly massieren. Das hat ihr ebenfalls jemand gesagt, und weil es nach einem außerordentlich vernünftigen Rat klingt, ist mein nächstes Ziel also Dragonfly. Auf dem Stadtplan sehe ich, dass man da prima mit der U-Bahn hinfahren kann, ich brauche gar kein Taxi. Ich kaufe vielmehr wie ein Profi eine Fahrkarte am Automaten, der nur chinesisch kann, und an dem vor mir zwei Chinesinnen gescheitert sind. HA! Ich bin sowas von cool.
Tatsächlich kann ich mich sofort massieren lassen. Im Internet hatte ich gelesen, man solle 48 Stunden vorher reservieren, das ist aber gar nicht nötig. Und dann liege ich nach all dem Gewusel und Gedränge und dem Lärm nun also eine ganze Stunde lang in einem abgedunkelten Raum ohne jegliches Geräusch und lasse mich massieren. Herr-lich. So toll, dass ich glatt überlege, das morgen gleich noch mal zu machen. Wenigstens eine Fußmassage? (Oder gleich beides?)
Von Dragonfly aus ist es nicht mehr weit bis zur „Chinese Hand Printed Blue Nankeen Exhibition Hall“. Die ist gut versteckt, ich hätte sie im Leben nicht gefunden, außer in Meikes Blog, wo sie mir schon damals ins Auge gestochen ist. (Habe kurz überlegt, diesen Eintrag mit „Being Meike Winnemuth“ zu überschreiben.)






„Und: klar. Blaues Hemd gekauft, musste sein.“ Um noch ein letztes Mal Frau W. zu zitieren. Allerdings hat Meike da irgendwie mehr gesehen als ich, scheint mir jetzt, wenn ich ihre Bilder so angucke. Eine Ausstellung habe ich nicht gesehen, nur den Verkaufsraum. Egal, Hauptsache, ich hab ein Hemd. Und mich massieren lassen. Und war im Yu-Garten. Und bin U-Bahn gefahren und habe Nudelsuppe gegessen und über 200 Fotos gemacht und überhaupt einen super Tag gehabt. Shanghai: finde ich gut.