Wohnzimmerlesung mit Nunu Kaller

Und das kam so: KiWi bucht den Werbeplatz in meinem Blog für das Buch „Ich kauf nix“ von Nunu Kaller. Deswegen lese ich es, und beim Lesen denke ich: gute Person. Also quatsche ich sie bei Facebook an, wie das so meine Art ist, und wir geraten sofort ins Chatten – ja, das geht, man kann sich nach drei ausgetauschten Nachrichten mehr oder weniger sympathisch sein, und das hier ist eindeutig ein Fall von: mehr.

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Und während wir noch über „wenn du mal nach Wien kommst“ und „falls du mal in Hamburg bist“ witzeln, ergibt es sich, dass sie kurzfristig tatsächlich beruflich nach Hamburg soll. Und zwar ein bisschen zu kurzfristig, um noch eine „offizielle“ Lesung an einem der üblichen Veranstaltungsorte unterzubringen, also beschließen wir kurzerhand, eine private Wohnzimmerlesung bei uns zu Hause zu machen. Unser Wohnzimmer eignet sich dafür, wir denken schon länger über so etwas nach, und zack! passiert es quasi von ganz allein. Ebenso von-ganz-allein kommt dann auch noch RTL. Das schreiben wir auch in die Einladung, es glaubt aber niemand. Hihi.
Was sich übrigens auch mal wieder herausstellt: wenn man sich virtuell schon gut leiden kann, klappt es in Echt meist auch. Nunu ist in Wahrheit genauso super, wie man sie sich vorstellt.

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Unsere Vorstellung von Wohnzimmerlesung geht so: wir machen uns keine Arbeit und haben kaum Kosten. Wir kaufen Bier, Wasser und Erdnüsse, die Gäste bringen Wein mit. Fertig.
Und es funktioniert wunderbar. Die Leute von RTL kommen anderthalb Stunden früher, bauen Scheinwerfer und Kameras auf und interviewen Nunu erstmal, und dann kommen alle Gäste pünktlich und haben Wein dabei. Super Gäste!
Bei der Lesung selbst macht RTL sich dann unsichtbar, man bemerkt sie kaum. Einer der Gäste prangert hinterher an, seine Vorurteile gegen den bösen Sender seien geradezu hinterrücks gemeuchelt worden, denn, ich zitiere: die waren ja total nett! Womit er Recht hat. Schlimm.

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Nunu liest eine knappe Stunde, und zwar eine gute Mischung. Sie fängt an mit „wie alles anfing“, damit man erstmal weiß, worum es geht, und liefert dann eine sehr gute Mischung der Themen, die sie im Buch anspricht: wie sie sich an der Nähmaschine versucht, wie indische Baumwollbauern zu hunderttausenden erst in die Schulden und dann in den Selbstmord getrieben werden, und zum Schluss über eine Verhütungshose (Kurzfassung: selbstgenäht. Verhütung durch Hässlichkeit).

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Am Ende sind alle glücklich, kaufen Bücher, trinken noch ein Glas Wein oder vier, bleiben sitzen, halten Schwätzchen, landen in sonderbaren Ecken des Wohnzimmers, weil alles voller Stühle steht und der Couchtisch weggeräumt ist, oder stehen in der Küche vorm Kühlschrank im Weg, also genau so, wie es sein soll. Und wir, wir beschließen sofort, dass wir das demnächst öfter machen, denn das war ein wunderbarer Abend. Ich liebe es, die Bude voll zu haben. Danke, Nunu!

Wer am Montag Mittag (17. Februar) zu Hause ist, kann ja mal RTL „Punkt 12″ einschalten.
ACHTUNG: HEUTE! Dienstag, 18. Februar. Man könnte mal so um viertel vor eins einschalten.

So: hier ist die Sendung.

[Bilder, bis auf das zweite: Maximilian Buddenbohm. Er wird dann halt demnächst immer gleich mitgebucht. Ich liebe dieses letzte Bild von Nunu.]

Defizite

„Wahrscheinlich bin ich homophob wie mein Freund, und das ist auch gut so“, schreibt Matthias Matussek in der Welt. Der ganze Artikel ist von vorne bis hinten indiskutabel, man möchte dem Herrn eigentlich jeden einzelnen Absatz um die Ohren hauen, aber dann denke ich wieder, dass er die Mühe nicht wert ist. Deswegen will ich hier nur einen Satz herausgreifen:

Was für ein Eiertanz um die einfache Tatsache, dass die schwule Liebe selbstverständlich eine defizitäre ist, weil sie ohne Kinder bleibt.

Vielleicht wollen wir mal drei Dinge auseinanderhalten: Fortpflanzung, Sex und Liebe.
Zur Fortpflanzung braucht man Sex, und zwar gemischtgeschlechtlichen, das ist klar (schon gut, es geht hier nicht um die Möglichkeiten der modernen Medizin). Ein Charakteristikum des Menschen ist es allerdings – und da unterscheidet er sich von den meisten anderen Tieren –, dass er nicht ausschließlich zum Zwecke der Fortpflanzung Sex hat, sondern auch einfach so zum Spaß. Weil wir das als angenehm empfinden. Fortpflanzung benötigt also Sex, aber man braucht keinen Fortpflanzungswunsch, um Sex zu haben.
Und die Liebe? Die Liebe mag sich evolutionsgeschichtlich irgendwann aus dem Fortpflanzungstrieb entwickelt haben. Daraus kann man aber nicht den Umkehrschluss ziehen, dass für die Liebe heute noch Fortpflanzung notwendig wäre. Es gibt diese historisch gewachsene Idealvorstellung, dass Menschen nur Sex hätten, wenn sie sich lieben, oder je nach Grad des religiösen Fundamentalismus sogar nur dann, wenn sie sich lieben UND ein Kind möchten; doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
Menschen haben Sex, wenn es sich gerade so ergibt, weil sie betrunken sind, weil sie sich lieben, weil die Stimmung gerade danach ist, um sich zu trösten, und manchmal sogar, obwohl sie sich gar nicht besonders mögen, aber gerade Lust dazu haben. Manche haben sogar keinen Sex, obwohl sie sich lieben. Sex ist ein körperlicher Vorgang, ebenso wie Fortpflanzung. Sex braucht keine Liebe. Je nach eigenen Vorlieben ist er mit Liebe schöner. Oder womöglich gerade nicht.
Sex und Liebe werden in unserer Kultur dennoch gerne zusammen gedacht, das ist ja auch in Ordnung, die meisten Liebenden werden auch Sex miteinander haben, zumindest am Anfang. Das Sichverlieben geht meist mit einer körperlichen Anziehung einher. Klassischerweise ist in einer festen Liebesbeziehung der Sex mit anderen unerwünscht. Mit dem Wunsch nach Fortpflanzung haben Liebe, Sex und Begehren oft nur am Rande zu tun.

Aber was ist nun die Liebe? Sie ist nicht zwangsläufig an Sex gebunden, und schon gar nicht an Fortpflanzung. Sämtliche Formen der Kunst und Kultur versuchen seit Jahrhunderten immer wieder aufs Neue, die Liebe zu beschreiben. Liebe ist etwas zwischen Menschen, Liebe ist etwas, das man zuallererst geben muss. Es gibt sie in tausend Abstufungen, von „jemanden mögen“ bis zur langjährigen festen Beziehung mit Herzklopfen. Was ich für meine Freunde empfinde, ist auch eine Art von Liebe. Die Übergänge sind fließend. Wenn man Glück hat, geht mit einer besonderen Liebe ein gegenseitiges körperliches Begehren einher, und wenn man noch mehr Glück hat, lässt beides nicht nach. Die Liebe ist schwer zu definieren, aber eins ist sie auf jeden Fall: Für jeden Menschen etwas anderes und für jede Beziehung etwas anderes. Sie ist individuell. Wenn zwei Menschen (oder mehr) zusammenfinden und ihre Liebe und ihr Begehren so leben können, wie es ihnen guttut, dann ist das wundervoll. Wenn dazu Kinder gehören: prima. Wenn nicht: auch prima. Selbst wenn jemand (für sich selbst) ein Leben ohne Kinder als defizitär empfindet, ist doch die Liebe nicht defizitär. Eine Liebe, die für alle Beteiligten gut und schön ist, ist gut und schön. Da kann doch keiner daherkommen und allen Ernstes pauschal die Liebe anderer Menschen für *defizitär* erklären, das ist nicht nur vollkommen grotesk, sondern anmaßend, herablassend und selbstgerecht.

Menschen lieben einander, und das ist toll. Liebe ist nicht defizitär. Etwas, was man jemandem schenkt, kann nicht defizitär sein. Sie ist unterschiedlich, und niemand kann bestimmen, dass seine eigene Form des Liebens die einzig „richtige“ wäre.
Man kann Menschen doch nicht dafür verachten, dass sie lieben, das will mir nicht in den Kopf. Und dann, um noch einen draufzusetzen, auch noch mit dieser Verachtung kokettieren.

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