Nunu Kaller: Ich kauf nix
Nunu Kaller war schon halb auf dem Weg in die Shoppingsucht. Zumindest war sie so weit, dass sie sich damit selbst auf die Nerven ging, und so hat sie sich ein Jahr Auszeit verordnet: sie hat beschlossen, ein Jahr lang keine Klamotten zu kaufen. Ihr kluger Freund hat sie außerdem ermuntert, sich in dieser Zeit mit den Herstellungsbedingungen konventionell produzierter Kleidung zu beschäftigen. Über dieses Jahr hat sie ein Blog geführt, und daraus ist nun dieses Buch entstanden.
Ehrlich gesagt: als KiWi die Werbung da rechts gebucht hat, dachte ich, nun ja, so ein Blogger-Selbsterfahrungsbuch, ich sehe ein, dass sie das für meinen Werbeplatz ausgesucht haben, aber muss ich das wirklich lesen? Shoppingsucht hatte ich nie (im Gegenteil, ich hasse Shoppen, schon immer. Wohl liebe ich neue Kleider!), und mit den Abgründen der Textilindustrie habe ich mich sowieso schon immer wieder beschäftigt. In sofern passt es hier natürlich auch hin, und natürlich habe ich reingelesen.
Und dann fand ich es so charmant geschrieben, dass ich Nunu Kaller spontan auf Facebook kontaktiert und ihr die Blogwerbung gezeigt habe. Was soll ich sagen – wir haben ein bisschen gechattet und uns gleich gemocht (doch, das geht nach ein paar Zeilen), und dann habe ich das Buch in zwei oder drei Rutschen durchgelesen. Weil es wirklich Spaß macht und oft so schön selbstironisch ist. Dass ich es so zügig weggelesen habe, kann allerdings auch daher kommen, dass ich dauernd das Gefühl hatte, das auch schon alles selbst gedacht zu haben. Mit Ausnahme der Shoppingsucht und des erklärten Verzichts, aber ansonsten passierte uns ungefähr das gleiche: je mehr ich über die Zustände in der Textilindustrie wusste, desto weniger wollte ich an diesem System teilnehmen. Erst piepst nur irgendwas im Kopf leise „eigentlich sollte man das nicht kaufen“, aber dann kommt das Gefühl irgendwann nach und sagt sehr entschieden: Nein. Man will dann gar nicht mehr.
Oder die Szene „ich will gar nicht missionieren, aber es beschäftigt mich halt so!“ – die habe ich gleich dem lustigen Mann zum Lesen rübergereicht, weil ich mich so erwischt fühlte. Er hat nur „tja“ gesagt und gelacht. Hihi.
Oder dieses Gefühl der Überforderung, weil man gerne alles so richtig wie möglich machen würde, aber dauernd daran scheitert. Weil es eben nicht so einfach ist.
Was mir hingegen vollkommen abgeht, ist der Wunsch, Dinge selbst zu machen. Nunu versucht es mit unterschiedlichem Erfolg mit Nähen und Stricken – für mich vollkommen unvorstellbar, ich weiß genau, was dabei rauskäme.
Und dann sind natürlich auch noch eine ganze Menge Informationen eingestreut. Zwar habe ich mich auch immer wieder mit dem Thema befasst, aber vieles wusste ich trotzdem nicht. Etwa, wie die Firma Monsanto indische Baumwollbauern durch ihre skrupellosen Geschäftsmethoden in den Selbstmord treibt. Und zwar nicht ein paar einzelne, sondern 250.000 Bauern. Zweihundertfünfzigtausend! Oder dass die Deutschen im Jahr 2011 geschlagene sechs Milliarden Kleidungsstücke gekauft haben, das sind im Schnitt 75 Kleidungsstücke pro Person. In einem Jahr. Wer um alles in der Welt kauft so viele Klamotten? (Ich weiß es: ein Teil meiner Facebookfreundinnen, die sich gleich geoutet haben. 75 Kleidungsstücke jedes Jahr! Wahnsinn.)
Kurzfassung: das Tolle an dem Buch ist, dass Nunu Kaller das Thema natürlich ernst nimmt, sich selbst aber nicht. Dass ihr trotz aller fürchterlichen Erkenntnisse der Humor nicht abhandenkommt. Deswegen macht das so einen Spaß. Ich würde jedenfalls sehr gern ein Gurkengesöff mit ihr trinken gehen. Irgendwann machen wir das mal.
Es liegt bei jedem selbst, ein kritischer Konsument zu werden. Vor mir, nur weil ich an Sprechdurchfall leide und permanent reden muss über das, was mich bewegt, gibt’s nix zu beweisen. (S. 235)
Nunu Kaller bekommt im Regal einen Platz zwischen Mascha Kaléko und Wladimir Kaminer.
Nunu Kaller: Ich kauf nix. KiWi Taschenbuch, 8,99. Auch als E-Book.
(Partnerlinks zur Buchhandlung Osiander. Wenn Ihr es dort kauft, macht ihr mich unermesslich reich.)
kleine fluchten ♥ Montag, 6. Januar 2014 um 21:38 Uhr [Link]
Ohhhh, das klingt nach dem perfekten Buch für mich – tausend Dank fürs Teilen!
Da werd ich mich morgen gleich mal drum bemühen :-)
LG Tina
Sabine Dienstag, 7. Januar 2014 um 08:25 Uhr [Link]
Jaha! 75 Teile pro Jahr pro Person. Klingt viel, verdammt viel, aber ich fürchte, inkl. U-Wäsche und Strumpfwaren bin ich dicht dran an dieser Zahl. Viel schlimmer aber: Jeder, der sagt, so viel kaufe er doch nie im Leben in einem Jahr, treibt die Zahl derer, die mehr kaufen in die Höhe. *uff*
Die macht Sachen… | Ein Jahr ohne Kleiderkauf + danach Samstag, 18. Januar 2014 um 10:50 Uhr [Link]
[…] PS: Ich glaub, sie findet mich auch ganz nett… […]
Kat Samstag, 18. Januar 2014 um 17:14 Uhr [Link]
Sowas passiert also mit diesem Internet. Das man wildfremde Leute ein bisschen mag. ;)
Isabel Bogdan Samstag, 18. Januar 2014 um 19:11 Uhr [Link]
Ja, crazy.
Wohnzimmerlesung mit Nunu Kaller Samstag, 15. Februar 2014 um 22:48 Uhr [Link]
[…] das kam so: KiWi hatte den Werbeplatz in meinem Blog für das Buch „Ich kauf nix“ von Nunu Kaller gebucht. Deswegen habe ich es gelesen, und beim Lesen dachte ich: gute Person. Also […]