Medienouting II: Film und Fernsehen

Nach dem großen Lese-/Nichtlese-Outing kommt hier mein Verhältnis zum nächsten Medium, nämlich zu Film und Fernsehen. Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: habe ich überhaupt keinen Bezug zu.
Als ich Kind war, hatten wir zu Hause keinen Fernseher. Meine Eltern waren der Überzeugung, dass Fernsehen schlecht sei und kein Mensch das braucht. Wir bekamen einen Fernseher, als ich ungefähr 16 war; ich erinnere mich, dass ich eine Weile lang halbwegs regelmäßig „Dallas“ geguckt habe, und ansonsten gelegentlich mit meiner Mutter zusammen mal eine 50er-Jahre-Komödie mit Peter Alexander und Lilo Pulver. Und vor Weihnachten Sissi. Meine Brüder guckten Wetten dass oder mal was von Otto, das fand ich alles eher langweilig und unlustig. Der Fernseher stand natürlich auch nicht im Wohnzimmer, wie bei anderen Leuten, sondern im Keller, und wurde angemacht, wenn man etwas Bestimmtes sehen wollte. Und wenn das zu Ende war, aus.
Mit 19 zog ich aus und hatte erstmal wieder keinen Fernseher. Habe ich auch nicht vermisst. Irgendwoher habe ich dann einen geerbt und ein Jahr lang Lindenstraße geguckt, mit zwei-drei Freunden und rituellem Gin-Tonic-Trinken.
Dann war ich in Japan und hatte keinen, danach wohnte ich in einer WG, wo jemand anders einen hatte, aber in halt seinem Zimmer. Irgendwann wohnte ich dann mit dem Mann zusammen, und wir hatten wieder einen geerbten Schwarz-Weiß-Fernseher. Während ich meine Magisterarbeit schrieb, fing ich an, „Verbotene Liebe“ zu gucken. Das habe ich dann auch für die nächsten paar Jahre beibehalten, und wenn die Kiste schon an war, dann habe ich auch noch Marienhof hinterhergeguckt. Jahrelang, jeden Tag. Meine erste Anlaufstelle im Internet war dann tatsächlich auch das Verbotene-Liebe-Forum der ARD, wo sich nach jeder Sendung Leute darüber ausließen, wie die Folge denn nun war.
Aber irgendwann war von heute auf morgen Schluss mit Vorabendserien. Keine Lust mehr, genug von dem Zeug gesehen. Und seitdem gucke ich halt gar nichts mehr. Ich bin schwer internetsüchtig, ich hocke den ganzen Tag vor der Kiste und abends auch noch. Aber Fernsehen? Keine Ahnung, interessiert mich nicht.
Wahrscheinlich bin ich der einzige Mensch auf der Welt, der sich regelmäßig ernsthaft vornimmt, mehr fernzusehen. Denn ich weiß ja, dass es tolle Filme gibt. Ich weiß aber tatsächlich nicht mal, welche Sorte Filme ich toll finden würde. Das Medium Film fehlt mir quasi komplett, ich kenne kaum Schauspieler, ich wüsste im Leben nicht, wofür welcher Regisseur steht, ich habe von nichts eine Ahnung, ich habe nicht mal einen Geschmack.
Und immer, wenn ich es dann tatsächlich mal versuche, geht es prompt schief. Wenn ich denke: heute hast du Zeit, heute siehst du mal fern, dann kommt garantiert nur Mist. Oder andersrum, meine Timeline twittert, dass jetzt gleich „My big fat greek wedding“ läuft und sie sich schon vorfreuen, und dann denke ich, au ja, guckste mal, soll ja lustig sein. Ist ja nicht so, dass ich etwas gegen leichte Komödien hätte, im Gegenteil. Und was ist? Ein unerträglicher Klamauk ist das! Der Mann und ich haben ungefähr die Hälfte geschafft, dann mussten wir umschalten wegen zu heftiger Fremdscham. Wobei der Mann durchaus ein Fernsehgucker ist, er kann das deutlich besser als ich, nur guckt er halt lieber sinnloses Geballer als sinnloses Durcheinandergeschrei.
Oder Serien – meine Twitter-Timeline erzählt dauernd von tollen Serien, die gucken sie aber anscheinend nicht im Fernsehen, sondern auf DVD. Jedenfalls twittern sie nicht alle gleichzeitig drüber. Im Gegensatz zum Tatort, beispielsweise, da habe ich das Gefühl, den gucken alle jede Woche, twittern drüber, und alle finden ihn jede Woche scheiße. Eine Woche später gucken sie dann den nächsten. Aber vielleicht ist meine Wahrnehmung da verzerrt, oder man twittert halt eher das, was man nicht gut findet. Jedenfalls hat das Mitlesen auf Twitter noch kein einziges Mal dazu geführt, dass ich einen Tatort auch gern gesehen hätte, sondern führt regelmäßig zu großen Fragezeichen in meinem Kopf. Warum gucken das alle? Rätselhaft.
Und nein, ich bilde mir nichts darauf ein, es ist nicht so, dass ich meine, da drüberstehen zu müssen oder so. Ich habe vielmehr eindeutig das Gefühl, dass mir etwas entgeht. Ich würde mich wirklich gern mehr für Filme interessieren, aber bestimmt hat auch gerade wieder jemand was Interessantes auf Facebook gepostet und was macht eigentlich mein Verkaufsrang bei Amazon?

Bald fängt wieder ein neues Jahr an, ich kann mir ja mal wieder vornehmen, regelmäßiger fernzusehen. Müssen ja nicht gleich politische Talkshows und Realitygedöns und sowas sein. Das scheint mir doch wirklich was für Fortgeschrittene zu sein. Aber Filme, Filme müssten doch gehen. Ich weiß, dass es tolle Filme gibt! (Fragt mich jetzt nicht, welche Filme ich toll finde. Da fällt mir bestimmt nichts ein.) Ein Film pro Woche sollte doch zu schaffen sein. Ein Buch pro Woche geht doch auch, und für ein Buch braucht man viel länger als für einen Film. Und es muss doch auch ein guckbarer Film pro Woche laufen? Denn es ist ja auch peinlich, auf jede Frage der Sorte „Hast Du XY gesehen“ mit „nein“ antworten zu müssen. Außerdem fürchte ich immer, dass mir auch Anspielungen in den Büchern, die ich übersetze, einfach entgehen, weil ich halt nix kenne. Also hier, Vorsatz fürs nächste Jahr: mehr Fernsehen. Wie originell. Und wenn jemand Kinobegleitung sucht, sagt Bescheid. Ich bin ja quasi zu allem bereit.

15 Kommentare

  1. anglogermantranslations Samstag, 10. November 2012 um 02:27 Uhr [Link]

    Also, Isa, das ist aber gar nichts Besonderes. Ich habe keinen Fernseher, brauche keinen und kenne lauter Leute, die auch keinen haben. Mit denen kann man sich prima unterhalten! Früher bin ich gern in Programmkinos gegangen, jetzt sehe ich mir viele Filme auf DVD an, die ich in der Bücherhalle finde. Ist doch toll – die kann ich mir in verschiedenen Sprachen ansehen, bzw. nachsehen, wie was übersetzt wurde. Obwohl ich viel lieber die Originalfassungen sehe. Manchmal zwinge mich sogar, Sachen zu sehen, die mich tödlich langweilen, weil ich in Übersetzungen über sie stolpere und mir das Vokabular noch fehlt. So wie andere Leute die Börsenkurse im Handelsblatt lesen, weil sie das berufllich brauchen. Gerade habe ich mit jahrzehntelanger Verspätung die klassischen Durbridge-Straßenfeger „Melissa“ und „Es ist soweit“ gesehen. Total langweillig! Dass die ganze Nation mal fieberte, wer der Mörder war, kann ich gar nicht nachvollziehen. Aber eine Bildungslücke habe ich jetzt endlich geschlossen. Fazit: Hitchcock war besser und bleibt es auch.

  2. dorothy_jane Samstag, 10. November 2012 um 03:20 Uhr [Link]

    Vielleicht wäre as Medium „DVD“ einfach besser geeignet als das Medium „Fernsehen“. Ich z.B. nenne auch keinen Fernseher mein Eigen (Gott sei Dank!), schaue aber trotzdem ziemlich viele Filme.

    Und vielleicht ist der Filmtyp für dich nicht im Mainstream zu finden, sondern eher im Programmkino. Bei dir, liebe isabo, musste ich eben sofort an den Film „Sterben für Anfänger“ denken…und an „Harold and Maude“ (diesen bitte nur auf englisch gucken).

    Beide bewegen sich irgendwie, aber eben nur irgendwie im gesellschaftlich normalen Rahmen, hin und wieder tun sich Abgründe auf. Solche mit schwarzem Humor. Vielleicht gefällt es ja. : )

    Viel Spaß beim Filme entdecken.
    d_j

  3. Maximilian Buddenbohm Samstag, 10. November 2012 um 06:03 Uhr [Link]

    Ich leben auch bekennend filmlos, vielleicht sollten wir mal zusammen ins Kino gehen. Dann können wir gemeinsam nach 5 Minuten wieder gehen und uns gemeinsam eine Bar suchen.

  4. Violine Samstag, 10. November 2012 um 07:53 Uhr [Link]

    Ich tu‘ mir schwer mit Film gucken. Wenn diese Youtube-Filmchen immer so lang sind, das mag ich gar nicht!
    Fernseher habe ich nicht mehr, seit ich zehn war. Da versagte unser altes Stück und seither habe ich nie wieder einen besessen.
    Und Kino – sowieso nur Programmkino – vergesse ich meistens. Auch wenn ich eine Filmbeschreibung schön und anregend finde. Ich vergesse, wann er läuft, und das war’s dann.

  5. schiachesuse Samstag, 10. November 2012 um 13:40 Uhr [Link]

    Auch ich bin keine Fernseherin. Mein Versuch zu einer zu werden hab ich vor einigen Monaten wieder abgebrochen, kann das irgendwie nicht, das rechtzeitig wieder Abschalten. Wohl wissend, dass mich ein verfernsehter Abend meist mit einem betrübten Gefühl zurück lässt. Nicht nur weil Lesezeit-verkürzend, sondern auch ganz unbestimmt ungut. Dafür liebe ich meine Programm-Kinos heiß, am besten Filmabende mit anschließender Diskussion mit FilmemacherInnen, SchauspielerInnen oder anderen interessanten Menschen. Manchmal darfs auch richtig kitschig sein, nicht aber dumm-witzig.
    Besonders gefällt mir Deine Bezeichung „Medien-Outing“: ist doch interessant dass es mitunter gar nicht so einfach ist über das zu sprechen was man sich manchmal so „reinzieht“. Oute mich hiermit ein paar Mal Germanys Next Top Model gesehen zu haben. Als bekennende Feministin (!!!). Aber versöhnt hat mich dann diese Reclam-Version: http://issuu.com/grischka/docs/typo-buch-gntm?mode=window&backgroundColor=%23222222 bei irgendwem im Netz gefunden, sorry, weiß leider nicht mehr wer das drin hatte, vielleicht eh hier bei Dir?

  6. jubil Samstag, 10. November 2012 um 14:27 Uhr [Link]

    Hm, ich hab mal ’ne Weile recht viel ferngesehen, dann aber doch lieber selbst gelebt, als mir so viel Fremdleben angeguckt. Und dann gab es einen Fernseher, der eifrig Staub fing, bis ich einen DVD-Player geschenkt bekam. Lauter Serienfreaks aus meinem Freundeskreis liehen mir stapelweise Staffeln ihrer Lieblingsserien, die ich dann mitunter suchtmäßig geguckt habe. Was aber dazu geführt hat, dass ich nach spätestens 45 min vor einem Fernsehgerät zappelig werde, wodurch ich mir leider das Filmegucken zu Hause abgewöhnt habe. Im Kino geht’s noch.

    Vor ein paar Jahren habe ich beziehungsbedingt noch einmal mehr mit dem Fernsehprogramm zu tun gehabt, aber gleichzeitig zweierlei gemerkt: Wie wenig mir das Fernsehen gefehlt und wie extrem es nachgelassen hat. Jedem Sender geht’s nur noch um Einschaltquoten, deshalb kopieren alle die erfolgreichen Formate der anderen… Comedy, Kochen und Kuppeln. Und singen natürlich.

    Das Einzige, was mir durchaus positiv aufgefallen ist, weil es durch wunderschöne Bilder und atemberaubende Ruhe und selten gewordenes, fundiertes Wissen aus der Masse herausstach, war die BBC-Serie Planet Erde.

  7. kid37 Samstag, 10. November 2012 um 20:37 Uhr [Link]

    Sie brauchen dringend eine gute Programmzeitschrift.

  8. Isabel Bogdan Sonntag, 11. November 2012 um 01:22 Uhr [Link]

    Jo, haben wir manchmal. Ich nehme mir auch immer vor, da mal reinzugucken.

  9. Indica Sonntag, 11. November 2012 um 13:44 Uhr [Link]

    Gehen Sie doch lieber ins Theater! Sie haben da doch schöne Sachen quasi vor der Haustür.

    Ansonsten: Man kann selbst als gesellschaftliche Randgruppe prima und gutgelaunt leben. So gucke ich im Prinzip keine Filme mehr, seitdem ich in der kleinen Stadt am Rande der Republik bin, weil das Kino nur Ballerpopcornfilme bietet und der Programmkino-Verein immer dann was zeigt, wenn ich ohnehin abends arbeite. Na, und Theater inhaliere ich seit sieben Jahren quasi nebenbei. So geht doch keine Bildungsenergie verloren auf dieser Welt.

    Aber mit dem Alleinstellungsmerkmal „letzter Mensch der Welt ohne Fernsehkenntnisse“ wären Sie bestimmt prima geeignet, um in einer Reality-Show gleich in der Fortgeschrittenenklasse einzusteigen! ;-D

  10. Montez Sonntag, 11. November 2012 um 15:38 Uhr [Link]

    Ach, schau an, andere Menschen, die keine Filme (mehr) sehen. Ich dachte immer, das ginge nur mir so. Und zahllose Staffeln Mad Men oder Sopranos? Unvorstellbar. Manchmal befürchte ich dennoch, dass man da was verpasst.

    Aber Fernsehen finde ich toll, allerdings auch da keine Spielfilme, die sind mir zu kompliziert … Lieber was mit Tieren.

    Eine Film die Woche? Ein großer Vorsatz. Aber zu schaffen.

  11. Pauline Montag, 12. November 2012 um 07:40 Uhr [Link]

    Ich oute mich ja ungern als passionierte Lindenstraßen- und Tatortguckerin, aber irgendwie muss man sich nach dem Wochenende wieder auf Büroniveau hinunter bringen, oder?

    Wobei es Tatorte und Tatorte gibt und ich nicht jeden anschaue. Am liebsten mag die aus Städten, wo ich mal gewohnt habe (Heimat!).

  12. syvi25 Montag, 12. November 2012 um 12:38 Uhr [Link]

    Der Tipp mit der Fernsehzeitschrift ist wirklich gut. Wir haben seit Jahren eine abonniert und ich lese sie sehr intensiv durch. Dann kann man nämlich meistens bei allem gut mitreden, ohne auch nur einen Bruchteil selbst gesehen zu haben (toller Trick, ne?)

  13. SK Dienstag, 13. November 2012 um 10:08 Uhr [Link]

    Ich habe neulich Viscontis „Gewalt und Leidenschaft“ gesehen, mit Burt Lancaster, Helmut Berger (der ja in letzter Zeit wieder etwas Presserummel bekommt) und sogar ein bisschen Claudia Cardinale. Als der FIlm vorbei war, habe ich mich gefühlt, als hätte mir jemand einen Roman in 2 Stunden in den Kopf gedreht (mich hat der Film sehr an Alberto Moravias „Die Gleichgültigen“ erinnert). Würde ich als Einstieg für bücherliebende Menschen ohne Hang zu Film empfehlen.

  14. schang Dienstag, 13. November 2012 um 20:30 Uhr [Link]

    „Sterben für Anfänger“ und „Harold und Maude“ würde ich mich anschließen, sehr schöne Filme, aber beim ersten bloß nicht den nachgemachten amerikanischen gucken, der ist echt mies, die haben ohne Scheiß den Originalen bis in die letzte Szene einfach kopiert, es spielt auch ein Kleinwüchsiger mit, das ist derselbe wie im Original, ich mein Hallo??
    Oder wie wärs mit Klassikern „Mein Freund Harvey“ mit James Stewart oder Alfred Hitchcock oder so, oder alles auf rottentomatoes.com topgeratete mit Meryl Streep http://www.rottentomatoes.com/celebrity/meryl_streep/ („Julie & Julia“ mit ihr ist auch ziemlich großartig, sogar mit wahrer Hintergrundgeschichte, und es geht um ein Kochbuch! Ein KOCHBUCH!! und sogar eine Bloggerin! Wenn das nix is :-) )
    Ich gucke relativ viel und bin einer, der sich immer wieder vornimmt, weniger und gezielter zu gucken, klappt aber nicht so richtig… folgst du elsebuschheuer auf Twitter? Sie hat regelmäßig TV-Tipps, manchmal auch keine, leider viele zu später oder sehr später Stunde…
    du siehst, ich versuche, dich in deinen Vorsätzen zu bestärken, bringt ja nix, wenn alle nur sagen, sie gucken auch nicht :-)

  15. Isabel Bogdan Mittwoch, 14. November 2012 um 01:03 Uhr [Link]

    Harold und Maude habe ich sogar schon mal gesehen. Erinnere mich aber nicht mehr richtig, wie ich ihn fand. Danke für Eure Tipps, ich merk mir das alles! Und werde ggf. berichten.

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