Horizon Field

Da waren wir also auf dem Horizon Field des britischen Künstlers Antony Gormley in den Hamburger Deichtorhallen („die Deichtorhallen“ gibt es irgendwie nur im Plural, aber das Horizon Field ist natürlich nur in einer der Hallen): Das ist eine riesige begehbare Fläche, die in siebeneinhalb Metern Höhe aufgehängt ist und einen schwarz-spiegelnden Boden hat. Ein irres Gefühl, darauf herumzulaufen. Durch den Spiegeleffekt wirkt es ein bisschen wie bodenlos; und weil die Fläche hängt, schwingt sie auch noch, und zwar genau im richtigen Maß. Nicht wie Kirmes, aber deutlich spürbar. Wenn jemand springt, schwingt die ganze Fläche mit, man spürt also immer auch die Bewegung aller anderen, die gerade auf der Fläche sind. Wenn man sitzt oder liegt, kann man das genießen oder sich jedenfalls darauf konzentrieren, es zu spüren – wenn man geht, ist es ein bisschen gruselig, man hat das Gefühl, gleich einzubrechen, als würde man auf Wasser gehen oder so. Verstärkt wird der Effekt dadurch, dass man die Fläche nur auf Socken oder barfuß betreten darf, also einen unmittelbareren Bodenkontakt hat als mit Schuhen. Ich kann nicht über Kunst schreiben, ich verstehe nix davon, fand das aber sehr toll. Großartiges Raumgefühl auch, so schwebend in siebeneinhalb Metern Höhe in dieser riesigen, schönen Halle.
(Dönchen am Rande: wir waren am Dienstag dort, nach meiner Buchpremiere am Montag Abend. Als ich die Fläche betrat, kam mir eine Frau entgegen und sagte: „Ich war gestern auf Ihrer Lesung. Und heute mache ich Sachen.“ – Und ich: „Ach. Ach was. Aber doch nicht deswegen?“ – Sie: „Nein, nein, das war schon vorher geplant.“ Aber kurz habe ich mich ganz prominent gefühlt!)

Noch bis 9. September, Eintritt frei.

9 Kommentare

  1. Indica Sonntag, 8. Juli 2012 um 01:16 Uhr [Link]

    Oh, ich sehe! Ich muss unbedingt übernächste Woche nach Hamburg fahren und das selbst und mit dem Herrn Markus zusammen ausprobieren. Das hört sich gut an! Vielen Dank für die Kurzreportage und die Fotos.

  2. jule Sonntag, 8. Juli 2012 um 06:04 Uhr [Link]

    Aaah. Wenns mit meiner Visite beim Küchensessionsfestival im August klappt, dann werde ich auf jeden Fall auch in den Deichtorhallen meinen Horizont erweitern. :-)

  3. Klaus Sonntag, 8. Juli 2012 um 09:37 Uhr [Link]

    Kunst will nicht „verstanden“ werden, sie will erlebt werden. Und in den ersten Absätzen schreibst Du über Kunst. Darüber, wie Du das erlebt hast und wie es sich anfühlt. Also vergiss mal das ganze „Huh, wir müssen die Intention des Künstlers in Bezug auf die sozioligische Dingsbumzierung ermitteln“ Zeugs und schreib, was Du erlebst und fühlst.

  4. Isabel Bogdan Sonntag, 8. Juli 2012 um 10:04 Uhr [Link]

    Es war allerdings interessant und nachvollziehbar, was der Künstler selbst dazu sagt. Nur kriege ich es trotzdem nicht wiedergegeben. Das meinte ich. Aber sozioligische Dingsbumzierung merke ich mir, das kann ich bestimmt mal brauchen. Danke!
    Indica, schade, da bin ich nicht da! Sonst wäre ich auch nochmal mitgegangen.

  5. ichichich Sonntag, 8. Juli 2012 um 10:44 Uhr [Link]

    „Kunst kann nie Objekt sein, sondern nur Ort, Möglichkeit, Erlebnis, ein Moment, dem man sich hingeben muss“, sagt der Herr Gormley in der „Art“. Und genau so isses.

    Ich muss da nochmal hin, merke ich gerade.

  6. Zahnwart Sonntag, 8. Juli 2012 um 12:55 Uhr [Link]

    Seit der Aufteilung der Deichtorhallen in „Haus der Fotografie“ und „Halle für aktuelle Kunst“ gibt es plötzlich wieder ein Singular, man spricht dann von „nördlicher“ bzw. „großer“ und „südlicher“ Deichtorhalle bzw. „Haus der Fotografie“. Ihr wart in der nördlichen.
    Und interessanterweise haben sowohl Klaus als auch Isabel recht: Kunst will sowohl erlebt als auch verstanden werden, das ist von Fall zu Fall verschieden. Es gibt Kunst, der kann man sich hingeben und erfährt damit intuitiv, wo das Werk eigentlich hin möchte (für mich zählt da zum Beispiel Jonathan Meese dazu), und es gibt Kunst, bei der braucht man ein umfangreiches Hintergrundwissen, ohne das man recht ratlos vor den Exponaten steht (ohne dass mir jemand etwas erklärt, verstehe ich rein gar nichts von zum Beispiel Hanne Darboven). Gormley steht da irgendwie dazwischen, das „Horizon Field Hamburg“ lässt sich mit den Fußsohlen durchaus sinnlich erfahren, und schon hat man was mitgenommen. Aber bei anderen, vom Konzept her ganz ähnlichen Arbeiten, wie „Horizon Field Bregenzerwald“ reicht es längst nicht, da nur intuitiv ranzugehen, da muss man sich im Vorfeld eingelesen haben.
    Und zum Abschluss noch ein Tipp: Wenn euch Gormley in den Deichtorhallen gefallen hat, dann rate ich euch zur Ausstellung „Lost Places“ in der Kunsthalle, insbesondere zu der großen Rauminstallation von Jan Köchermann.

  7. kid37 Sonntag, 8. Juli 2012 um 14:11 Uhr [Link]

    Ja, die „Lost Places“-Ausstellung ist super. Auch wenn ich die Becher-Schule nicht so mag. Wenn der Moment eintritt, da man selbst „lost“ ist, ist man angekommen.

  8. jule Dienstag, 10. Juli 2012 um 01:56 Uhr [Link]

    „Wenn dir etwas gefällt, analysiere es nicht, sondern tanze dazu.“ (Tex Rubinowitz)

    Das will ich machen: einen Glanzhorizonttanz.

    • jule Montag, 20. August 2012 um 23:24 Uhr [Link]

      Ja, der Glanzhorizonttanz: ich habs getan. Und hätte gern einen Barfußsteptanz aufs spiegelnde Parkett gelegt, nur führte schon leichtes Tänzeln zu einem ermahnenden Kopfschütteln der Aufsichtsjungs. Auch leichte Hüpfschritte anderer waren nicht gern gesehen.

      https://www.facebook.com/media/set/?set=a.1920918423065.2095013.1245182440&type=1

      Gruselig fand ich es überhaupt nicht, ich empfand die Fläche als sehr stabil, kein Gefühl von Tanz auf dünnem Eis. Aber es gab schon einige Leute, die nach Rückzug auf die Treppe nach unten einen deutlichen Unbehaglichkeitsverlust zu empfinden schienen. Eine Frau, die zwei Meter weiter saß, hatte leichte Panik im Blick, als ich mich direkt in eine der schwarzen Ecken stellte, und ich hörte sie murmeln: Nicht so dicht an den Rand!

      Mittlerweile verlängert bis 16. September.

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