Ken Follett über das Schreiben

„Albert hat mir elf eiserne Regeln beigebracht. Erstens: Das Buch soll dir Mühe machen, nicht dem Leser. Zweitens: Sprache ist Mittel zum Zweck. Vergiss deshalb Wortakrobatik und metaphysischen Blumenkohl und schreibe eine Geschichte, die den Leser zum Umblättern zwingt. Drittens: Nach vier bis sechs Seiten muss die Story eine überraschende Wendung nehmen, sonst langweilt sich der Leser. Viertens: Frage dich als Autor immer, wo die größte Angst deiner Figur liegt, denn Angst ist unsere stärkste Antriebsfeder. Fünftens: Jeder großartige Roman ist ein Familienroman. Sechstens: Schriftsteller sind keine gesegneten Stenografen, die ein göttliches Diktat empfangen. Deshalb musst du so lange recherchieren, bis du mit dem Stoff vertraut bist, intim wie Haut auf Haut. Siebtens: Beende einen langen Roman nie mit einer jähen Überraschung. Das empfindet der Leser als rüpelhaften Rauswurf. Achtens: Du musst deine Story mit dem Hammer redigieren: Hau drauf und horch, wo sie hohl klingt. Neuntens: Kürzen ist literarisches Viagra. Zehntens: Schreibe niemals einen Bauernroman, denn Landwirtschaft hat null Glamour. Elftens: Halte dich nie zu lange mit Personenbeschreibungen auf. Eine Figur ist das, was sie tut.“

Interessantes Interview mit Ken Follett in der WELT.

9 Kommentare

  1. Zahnwart Mittwoch, 28. März 2012 um 09:36 Uhr [Link]

    Ganz großartiger Bauernroman, übrigens: Josef Bierbichler, Mittelreich.

    (Ach, ich mag keine Regelwerke, gerade in der Kunst nicht. Tue dies, lass das bleiben, das hat für mich sowas von Creative Writing-Seminar, selbst wenn einzelne Passagen ganz sinnvoll erscheinen mögen, gerade die Betonung des Handwerklichen gegenüber der Begabung. Trotzdem.)

  2. Isabel Bogdan Mittwoch, 28. März 2012 um 09:41 Uhr [Link]

    Anderer ganz großartiger Bauernroman: Gerbrand Bakker, Oben ist es still. Eins meiner Lieblingsbücher der letzten Jahre.

    Zwölftens: Regeln sind zum Brechen da. Und die Bauernregel ist ja kompletter Kokolores, ebenso wie die Begründung. Hat null Glamour? Na und?
    Ganz interessant finde ich aber zum Beispiel den Gedanken mit der Angst.

    Allerdings fehlt die allerwichtigste Regel: Internet ausmachen!

  3. Pixelpu Mittwoch, 28. März 2012 um 11:03 Uhr [Link]

    Ich habe bisher ein Buch von ihm gelesen und jetzt weiß ich auch, warum ich es so schlecht fand, weil er sich tatsächlich an diese Regeln hällt. Seine Sprache war ausgesprochen platt und mir viel zu einfach.

  4. Maximilian Buddenbohm Mittwoch, 28. März 2012 um 11:03 Uhr [Link]

    Ohne Internet hätte ich nie was geschrieben. Weder ins Netz noch zwischen Buchdeckel.

  5. Isabel Bogdan Mittwoch, 28. März 2012 um 11:05 Uhr [Link]

    Hihi. Ich auch nicht.

  6. Isabel Bogdan Mittwoch, 28. März 2012 um 11:44 Uhr [Link]

    Pixelpu, ich hab auch nur eins gelesen und fand es auch blöd. Zu konstruiert. Aber deswegen ist ja nicht unbedingt alles blöd, was er übers Schreiben sagt.
    Und ich habe über den „metaphysischen Blumenkohl“ gelacht.

  7. Pixelpu Mittwoch, 28. März 2012 um 12:05 Uhr [Link]

    Ja, konstruiert trifft es ziemlich gut. Und natürlich ist nicht alles blöd was er sagt, das mit der Angst fand ich, genau wie du, gut. Bei dem Blumenkohl würde mich interessieren, was er im Original auf englisch besagt hat.

  8. Jana Mittwoch, 28. März 2012 um 21:41 Uhr [Link]

    Regel 11 sollten sich all die Newcomer-Labersäcke hinter die Ohren schreiben. 10 Seiten Personenbeschreibung bis hin zum Fußpilz der Figur brauche ich nicht.

  9. Isabel Bogdan Donnerstag, 29. März 2012 um 10:33 Uhr [Link]

    Bei mir ist sowas auch vergebene Liebesmüh. Da kann zehnmal stehen, dass eine Figur blond ist, und in meinem Kopf nimmt sie trotzdem braunhaarig Gestalt an. Normalerweise steht es da aber nur einmal, dann vergesse ich es eh wieder. Die Figuren sehen in meinem Kopf nie so aus wie beschrieben. (Wobei sie sowieso eher unkonkret aussehen.)

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