Tante Isas kleine Deutschstunde: drapieren
Das Wort „drapieren“ bedeutet nicht „dekorativ irgendwo hintun“. Es bedeutet, Moment, ich kopiere das mal eben aus dem Duden: [mit Stoff] behängen, [aus]schmücken; raffen; in Falten legen.
Das „mit Stoff“ steht da zwar in Klammern, ist aber wichtig. Drapieren kann man nur etwas Weiches, das kann meinetwegen auch eine Papiertischdecke oder Knallfolie sein, solange man sie rafft oder in Falten legt. Aber bitte schreibt nicht „drapieren“, wenn ihr „dekorativ irgendwohintun“ meint. Innerhalb der letzten Tage gelesen und jedes Mal zusammengezuckt:
. Bücher auf dem Couchtisch drapieren
. einen Klecks Marmelade auf dem Teller drapieren
. die Schutzhülle wieder auf den Schwangerschaftstest drapieren.
Das geht alles nicht, gar nicht, das hat ja mit „raffen“ und „in Falten legen“ nichts zu tun.
Oder um es noch genauer zu sagen: da oben in der Definition stecken zwei Bedeutungen. Man kann entweder „einen Stoff drapieren“ (nämlich raffen oder in Falten legen) oder etwas anderes „mit Stoff behängen, schmücken“. Man kann also durchaus „einen Sessel im Wohnzimmer drapieren“ – das bedeutet aber nicht, ihn hübsch im Wohnzimmer zurechtrücken, wie es neuerdings oft verwendet wird, sondern es bedeutet, dass man Stoff drüberhängt. Wer also „Bücher auf dem Couchtisch drapiert“, der legt sie da nicht hin, damit sie jeder sieht, sondern hängt was drüber, damit man sie nicht sieht. Womit man einen Marmeladenklecks auf dem Teller drapiert, weiß ich nicht. Mit einer Scheibe Wurst?
Maximilian Buddenbohm Montag, 27. Februar 2012 um 10:38 Uhr [Link]
Nach vorsichtigen Schätzungen kennen etwa 0,2% der deutschsprachigen Bevölkerung diese korrekte, aber doch sehr enge Anwendungsregel. Immerhin!
Isabel Bogdan Montag, 27. Februar 2012 um 10:54 Uhr [Link]
Du meinst, ich bin hoffnungslos altmodisch und soll es halt als Sprachwandel akzeptieren? Ja, seufz. Irgendwie fällt mir das bei Anglizismen und Grammatikveränderungen leichter als bei Bedeutungsverschiebungen, glaube ich.
Maximilian Buddenbohm Montag, 27. Februar 2012 um 10:57 Uhr [Link]
Ach, wenn man schon ein konservativer Knochen ist, dann soll man auch dazu stehen. Zur Zeit kommen ja auch Pappschildchen mit „Wir sind die 0,2%“ ganz gut.
Isabel Bogdan Montag, 27. Februar 2012 um 11:00 Uhr [Link]
Occupy deutsche Sprache.
fragmente Montag, 27. Februar 2012 um 11:10 Uhr [Link]
Auch eine Frau kann sich drapieren, auf einem Bett zum Beispiel. Wenn sie weich ist.
Isabel Bogdan Montag, 27. Februar 2012 um 11:17 Uhr [Link]
Ja. Und wenn sie zu den 99,8% gehört.
Maximilian Buddenbohm Montag, 27. Februar 2012 um 11:18 Uhr [Link]
Und sie kann drapiert werden, nicht zu vergessen.
Isabel Bogdan Montag, 27. Februar 2012 um 11:20 Uhr [Link]
Ich nicht! Ich bin die 0,2%! Wäwäwä!
Maximilian Buddenbohm Montag, 27. Februar 2012 um 11:27 Uhr [Link]
Neu auf der To-Do-Liste: Isa drapieren.
Jennie Montag, 27. Februar 2012 um 11:51 Uhr [Link]
Hier ist was los, eh! Isa, sag Bescheid, wenn du vor unzüchtigen Drapierern gerettet werden musst. Obwohl, wie ich dich kenne, stehste da ja drauf… ;)
Isabel Bogdan Montag, 27. Februar 2012 um 12:20 Uhr [Link]
… behauptet die Frau, die auf Männer mit Kiemen steht. Tst.
Shelley Montag, 27. Februar 2012 um 13:22 Uhr [Link]
I‘m an old-fashioned gal in these matters as well. I can’t stand it, for example, when people use the verb „catapult“ in connection with *upward* motion (the rocket catapulted into the sky)– „cata“ means „down“!! I‘ve got a list a mile long with other schoolmarmish examples…
kid37 Montag, 27. Februar 2012 um 15:00 Uhr [Link]
Ich habe meine Bücher in Organza gehüllt.
Anke Dienstag, 28. Februar 2012 um 09:45 Uhr [Link]
I am the 99,8% and lovin‘ it. (Ich drapiere gerne, weil „drapieren“ ein schönes Wort ist. Auch wenn ich offensichtlich keine Ahnung habe, was es bedeutet.)
Isabel Bogdan Dienstag, 28. Februar 2012 um 09:49 Uhr [Link]
Et tu, Anke? Es gibt kein schönes Wort im falschen Kontext, das wusste doch schon Adorno.
Frl. Wahrheit Dienstag, 28. Februar 2012 um 10:02 Uhr [Link]
drapieren : nappieren
Bei der drapierten Marmelade handelt es sich womöglich um ein ähnliches Missverständnis wie das aus der Fußballersprache bekannte „hochsterilisieren“.
Gemeint ist vermutlich „nappieren“ (im Gegensatz zu „saucieren“), zum besseren Verständnis vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Nappieren
Tim Mälzer verwendete das Wort gern in seiner Kochschau (jetzt habe ich mich als Kochshowguckerin geoutet), so ist es wohl auf unwissender Grundlage zu „drappieren“ geworden.
Ich sage ja immer, man soll nur Fremdwörter verwenden, die man versteht. Sonst kommt man schnell in Teufels Küche und wird möglicherweise nappiert oder drapiert oder noch Schlimmeres…
Isabel Bogdan Dienstag, 28. Februar 2012 um 10:07 Uhr [Link]
Öhm, das halte ich, ehrlich gesagt, für eine ziemlich gewagte These. Ich denke, es wird einfach zunehmend synonym mit „dekorieren“ verwendet. ABER DAS GEHT NICHT! Hmpf.
Anke Dienstag, 28. Februar 2012 um 10:51 Uhr [Link]
Hast ja recht.
Extamittel Dienstag, 28. Februar 2012 um 11:43 Uhr [Link]
Hm. Ich hatte das „Bücher-auf-dem-Couchtisch/Rucola-auf-dem-Teller-Drapieren“ immer für eine scherzhafte Falschverwendung gehalten.
Isabel Bogdan Dienstag, 28. Februar 2012 um 12:10 Uhr [Link]
Neenee. (Gerade lese ich, dass jemand etwas in die Fritteuse „drapiert“. Das ist noch nicht mal dekorativ! Sondern meint in dem Fall wohl eher „deponiert“.)
Extamittel Dienstag, 28. Februar 2012 um 18:27 Uhr [Link]
Werde noch an der rechten Empörung arbeiten müssen.
Gaga Nielsen Samstag, 3. März 2012 um 09:35 Uhr [Link]
Deine kleinen Klugscheißereien sind in jedem Fall immer die Lektüre wert! Ich denke, die Entwicklung (Auflage Duden 2070) geht dahin, solcherlei anarchische Handhabungen irgendwann als zulässig, weil nachweislich „gebräuchlich“ zu tolerieren. Basis-Demokratie oder so ähnlich. Auch wenn es mitunter weh tut.
Aber deine Rettungsversuche unbedingt in Ehren!
Silas Sonntag, 4. März 2012 um 15:47 Uhr [Link]
Ist denn der Ausdruck
‚ etwas hindrapieren/ hin drapieren‘
ähnlich verkehrt wie ‚aufoktroyieren‘ (also: überflüssige Vorsilbe)?
Isabel Bogdan Sonntag, 4. März 2012 um 17:22 Uhr [Link]
Hm, gute Frage. Keine Ahnung. Den Stoff über den Stuhl drapieren. Den Stoff am Stuhl drapieren. Den Stoff so hübsch wohin drapieren? Den Stoff an den Stuhl drapieren. Ich fürchte, da müssten wir Herrn Duden oder Herrn Sick fragen.
Isabel Bogdan Sonntag, 4. März 2012 um 17:24 Uhr [Link]
Oh, und dann gucke ich gerade auch mal in den Fremdwörterduden, und da steht:
dra|pie|ren: 1. kunstvoll in Falten legen. 2. mit kunstvoll gefaltetem Stoff behängen, schmücken. 3. Gegenstände kunstvoll anordnen
© Duden – Das Fremdwörterbuch. 7. Aufl. Mannheim 2001. [CD-ROM].
Was bedeutet: ich habe wahrscheinlich sogar komplett unrecht. HAB ICH NICHT! WÄWÄWÄ! Der Duden hat doch keine Ahnung, echtjetzma.
Anastasia Mittwoch, 3. April 2013 um 22:50 Uhr [Link]
Und das sagt Wiktionary dazu:
Bedeutungen:
[1] zur Dekoration anbringen
[2] von Stoff: in Falten legen
[3] flächige Halbzeuge auf gekrümmte Oberflächen aufbringen
[4] Kochgut in eine bestimmte Form bringen
[5] Waffen auslegen, pyrotechnische Erzeugnisse professionell anbringen
Sinnverwandte Wörter:
[1] dekorieren, schmücken
Beispiele:
[1] Für die Feier wollen wir den Raum noch etwas drapieren.
[2] „Als Stoff wird oft Voile gewählt, ein leichtes aber festes Polyestermaterial, oder der schleierartige Organza, der aus Natur- oder Chemiefasern besteht und sich gut drapieren lässt.“[2]
[3] „Ebenso lässt es sich in die Form drapieren.“[3]
[4] „Folgende Schritte lassen sich bei der Zubereitung von Lebensmitteln unterscheiden: Vorbereitung der Lebensmittel, Backen, Garen oder Kochen der Lebensmittel und je nach Gesellschaft, drapieren und servieren von Lebensmitteln.“[4]
[5] „Die Lichtraketen wurden so kunstvoll auf dem Eiland drapiert, dass sich schließlich auf dem Meer eine Palme aus Feuer und Licht abzeichnete.“[5]
[6] Käthe drapierte den Partyhut auf ihrem Kopf.
Isabel Bogdan Mittwoch, 3. April 2013 um 23:04 Uhr [Link]
Aber … aber … das ist doch falsch!
*bricht weinend zusammen*
(Jajaja, ich weiß, dass nicht alles im Duden „richtig“ ist, aber … aber … das geht doch nicht! Das ist doch furchtbar!)