Horst Evers: Für Eile fehlt mir die Zeit
Ich kann ja eigentlich nicht so gut mit „lustigen“ Büchern. Ich kann überhaupt nicht gut mit Leuten, die auf die Bühne gehen und Witze machen. Comedy geht normalerweise gar nicht, das finde ich fast immer grauenhaft unlustig, und Kabarett naja, geht so, eigentlich auch nicht mein Ding.
Was Horst Evers macht, ist irgendwas dazwischen, und er ist die große Ausnahme: Seine Bücher finde ich wirklich lustig, ich muss beim Lesen laut lachen, und ich mag ihn auch auf der Bühne. Einmal im Jahr, zum Ende bzw. Anfang des Jahres, macht er nämlich zusammen mit ein paar anderen reizenden Damen und Herren, darunter Bov Bjerg und Manfred Maurenbrecher, einen kabarettistischen Jahresrückblick. Da gehe ich seit Jahren hin und finde es immer sehr, sehr lustig.
Jetzt habe ich zum zweiten Mal ein Buch von ihm gelesen, und wieder mit großem Vergnügen. Der analog twitternde Nachbar, die hässliche, schwere Steingut-Obstschale namens Pirmin, oder die Szene auf der Buchmesse, die damit anfängt, dass Horst Evers eigentlich nur die Toilette sucht und dann über einen weinenden andalusischen Engel dabei endet, sich für uninteressante Bücher … ach, lest das doch selbst, bitte, ich habe mich prächtig amüsiert. Oder der Onkel, der nach einem Unfall seinen Führerschein abgeben soll, wobei sich rausstellt, dass er nie einen hatte, sodass er jetzt quasi einen machen muss, um keinen mehr zu haben. Her-vor-ra-gend!
Außerdem:
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„Gehe zur Baguettekette, will was bestellen, muss plötzlich eine Unmenge von Entscheidungen treffen: welches Sandwich? Welche Brotsorte? Getoastet – ja oder nein und warum? Ääääh, der Mann hört gar nicht mehr auf, mich Zeug zu fragen. Welche Soße? Scharf oder mild? Welche Größe? Was soll das? Um 7.15 Uhr morgens! Um 7.15 Uhr morgens fragt der mich hier lauter Zeug. Um die Uhrzeit kann ich mich normalerweise nicht mal entscheiden, ob ich durch den Mund oder die Nase atme. Welches Gemüse? Wie viel davon? Will ich ein Erfrischungsgetränk? Das weiß ich doch nicht, und das will ich auch gar nicht wissen!“
An mein Herz, Horst! Geht mir ja ganz genau so.
Was ich an Horst Evers’ Geschichten so mag, ist, dass er zwar lustige Sachen erzählt, auch über andere Leute, sich aber nie über sie lustig macht. Oder zumindest nicht bösartig und nicht mehr, als er sich über sich selbst lustig macht. Wenn da irgendjemand ein bisschen trottelig rüberkommt, dann höchstens er selbst, aber auch über sich selbst macht er sich noch auf eine irgendwie liebevolle Weise lustig. Anders gesagt: er nimmt die Leute, über die er schreibt, durchaus ernst, sich selbst eher nicht so. Und das finde ich unglaublich sympathisch, und das ist vielleicht auch der Unterschied zu den meisten anderen Spaßmachern: die neigen nämlich allzu oft dazu, sich selbst ziemlich ernst zu nehmen und sich über andere lustig zu machen. Außerdem schreibt er immer so schön anderthalb.
Im Regal wohnt Horst Evers in prominenter Nachbarschaft zwischen Jeffrey Eugenides und William Faulkner.
(Im Übrigen habe ich den Herrn gerade noch aus ganz anderen Gründen lieb, aber das zeige ich Euch dann demnächst.)
Horst Evers: Für Eile fehlt mir die Zeit. 224 Seiten. Rowohlt, 14,95 €.
Stephan Sonntag, 6. November 2011 um 17:23 Uhr [Link]
Hmm, bzgl. Entscheidungsgewitter in amerikanischen Food-Franchises ist ihm Nora Ephron aber ein paar Jahre voraus: Starbuck’s-Szene aus der Hanks-Ryan-Schmonzette You‘ve Got Mail!
Ich frage mich nur, was der Präsident davon hält, dass Du Comedians IMMER grauenhaft unlustig findest ;-)
Isabel Bogdan Sonntag, 6. November 2011 um 17:32 Uhr [Link]
Och Gottchen, voraus-popaus. Das *ist* ja auch einfach grotesk. Ich wollte mehr auf das „woher soll ich denn morgens wissen, was ich will“ hinaus, das ich so gut kenne.
Der Präsident? Rainald Grebe? Der ist Musiker und natürlich super.
Und bevor mir jetzt einer mit Hagen Rether kommt: der ist auch super. Aber meistens nicht wirklich lustig. Will er ja auch gar nicht sein.
Natürlich gibts da draußen noch mehr Leute, die super sind! Sogar lustige!