Rezensionen zu „Laufen“
Thomas André im Hamburger Abendblatt:
In diesen Momenten bricht sich die Wut der Erzählerin Bahn. Es ist nicht selten der Thomas-Bernhard-Furor, der dann zu vernehmen ist. Womit die literarische Referenz genannt wäre, die bei den weit ausgreifenden, den kunstvollen Langsätzen – die rhythmische Qualität dieses Textes! – mit den vielen Verschachtelungen, unweigerlich in den Sinn kommt.
Carsten Otte auf ZEIT online:
Und es überrascht nicht, dass die namenlose Erzählerin, die sich ihren Lebensunterhalt als Bratschistin in einem Hamburger Profiorchester verdient, ein gutes Gespür für Zäsuren hat, genauso wie für überraschende Kontrapunkte, Rhythmuswechsel und Motivwiederholungen. Die Musikalität des Textes ist allerdings nicht zu dick aufgetragen, dafür sorgt schon die traurige, wütende, fassungslose und dann wieder gegen all diese Stimmungen ankämpfende Heldin, die eigentlich keine sein möchte. […]
Isabel Bogdan hat für den Gedankenstrom ihrer Überlebenssuada die passende Sprache gefunden, nämlich eine Mündlichkeit, die zugleich so artifiziell ist, dass niemand auf die Idee kommt, hier werde im ausufernden Selbstgespräch einfach mal ein großer Schmerz weggeplaudert. Gerade weil das Buch sprachlich einiges wagt, verkommen die anrührenden Momente nicht zum Kitsch.
Daniel Kaiser beim NDR:
Isabel Bogdan schreibt eindrücklich von der Zerbrechlichkeit und den Heilungskräften des Lebens. Man möchte fast selbst sofort loslaufen, um das Festgefahrene bei sich selber in Bewegung zu bringen.
Große Themen sind das, doch nie wird der Ton gefühlsdusselig oder bedeutungsschwer. Die Laufende spricht mit sich und dem Leser, als ob die Worte, die Erinnerungen, die Gedanken und Beobachtungen gerade im Moment des Sprechens aus ihr heraussprudelten. Lange Zeit atemlos – Ein ein aus aus aus aus – und dann immer ruhiger werdend. Ein-at-men aus-at-men aus-at-men. Man macht es mit. Ob man läuft oder nicht. Und war lange keiner literarischen Figur so nah.
Laufen ist ein inniger, grandioser Roman nicht nur über Depression und Trauer, sondern auch über Akzeptanz und Lebendigkeit. […] Trauer ist ein individueller Prozess. Laufen zeigt diesen Prozess in vielen Facetten, so nah und intim, so ambivalent und menschlich, dass man sich dem kaum entziehen kann.
Mareike Fallwickl, Bücherwurmloch