Wir erinnern uns: bei der Anreise war ich 34 Stunden lang meistens wach gewesen, mit Unterbrechungen von ein paar 20-Minuten-Häppchen Schlaf. In der nächsten Nacht habe ich geschlafen wie ein Baby, 12 Stunden am Stück. Die darauf folgende, also die letzte Nacht habe ich wachgelegen, richtig wach, hellwach und totmüde. Keine Ahnung, was das sollte, es war nicht laut, ich war nicht aufgeregt oder irgendwas, ich weiß ja, dass ich hier superstens betreut und umsorgt werde, ich war einfach nur: wach. Die komplette Nacht. Gegen halb sieben habe ich aufgegeben, bin aufgestanden und habe geduscht. Zugegebenermaßen etwas schlecht gelaunt, weil fix und fertig. Nicht schlafen ist doof. Und auf die Dauer kann es auch nicht wirklich gesund sein, immer dreißig Stunden wach zu sein und dann zwölf Stunden zu schlafen.
Heute habe ich mit Yangyang Xu vom Goetheinstitut einen Ausflug gemacht, von dem es alles mögliche zu erzählen gäbe. Dazu bin ich aber viel zu müde. Deshalb also auf besonderen Wunsch zweier einzelner Herren („Blogg doch noch!“) nur schnell das hier: Hurra, ich bin eine echte Bloggerin! Ich habe mein Essen fotografiert! Bratnudeln, gekochter Eisbergsalat, Tofu mit Erdnüssen.
Und jetzt schlafe ich. Es ist jetzt neun Uhr, ich plane, wieder zwölf Stunden am Stück zu schlafen und dann endlich im Takt zu sein. So.
Ich habe die wundervolle Alina Bronsky interviewt! Kurz und knackig diesmal, bitte hier entlang zum überhaupt sehr lesenswerten KiWi-Blog. (Ich weiß, meine Fragen sind zu lang.)
Um elf Uhr wollen mich zwei deutsche Studentinnen abholen, kurz etwas zu Mittag essen und dann mit mir an die Uni fahren. Um zwei Uhr ist meine erste Veranstaltung. Vorher will ich mir noch mal kurz ins Gedächtnis rufen, was ich da eigentlich erzählen will, mir meine Notizen noch mal ansehen und mir ein paar Gedanken machen, also stelle ich mir den Wecker auf halb neun.
Um halb neun drücke ich die Snoozetaste, um zwanzig vor neun drücke ich die Snoozetaste, um zehn vor neun drücke ich die Snoozetaste, um neun stelle ich den Wecker aus und will aufstehen. Als nächstes weckt mich eine SMS von den Studentinnen, die ich um elf unten in der Halle treffen wollte. Es ist halb zwölf, ich habe zwölf Stunden am Stück tief und fest geschlafen (gerade mal nachgerechnet: ich war 34 Stunden lang meistens wach, mit ein paar 20-Minuten-Schläfchen dazwischen. Da soll man wohl kaputt sein.). Die beiden Studentinnen gehen Kaffee und Croissants holen, während ich mich blitzartig anziehe und ein paar Sachen für die Uni packe. Auf Mittagessen habe ich nach dem Croissant dann gar keinen Appetit mehr, ich nasche ein paar dieser Teigtaschen, die auf Japanisch Shûmai heißen (die runden; das gestern waren die länglichen), mehr brauche ich so kurz nach dem Aufstehen noch nicht. Aber ein paar Fotos von Essen vom Straßenrand mache ich immerhin, auch wenn ich nichts davon esse.
Schweinefüße
Süßkartoffeln und Mais
Zuckerobst (Drachenfrucht und Weißdornfrüchte, die wohl sehr sauer sind, umhüllt mit Zucker, eingeschlagen in einer Art Papier aus Zucker)
An der Uni mache ich erstmal eine Vorstellungsrunde, ich möchte von den Studierenden wissen, wie dieses Studium überhaupt läuft, ob sie viel deutsche Literatur lesen, was sie interessiert und so weiter. Und dabei hören, wie gut sie Deutsch können, damit ich abschätzen kann, wie langsam und einfach ich sprechen muss. Und stelle fest: Sie sprechen alle unglaublich gut Deutsch, grammatikalisch sensationell, mit korrekten Nebensätzen frei formuliert, nicht nur so auswendiggelernte Hauptsatzkonstruktionen, ich bin wirklich beeindruckt. Und sie interessieren sich für alles mögliche, einer schreibt seine Bachelorarbeit über Vampire, eine andere über das unterschiedliche Städtebild in chinesischen und deutschen Reiseführern. Und sie sagen vollkommen ungerührt und ohne mit der Wimper zu zucken „Studierende“, wie alle Leute, die ich sonst an Unis kenne, das beeindruckt mich immer ungemein, anders gesagt: ich möchte dann eigentlich immer ein bisschen lachen. Überlege kurz, ob ich fürderhin von uns „Übersetzenden“ sprechen soll, nehme dann aber doch Abstand davon.
Denn dann fange ich gleich damit an, dass ich ihnen erzähle, wie das Leben als Übersetzerin in Deutschland so ist, all die berufspraktischen Dinge, dass wir Freiberufler sind und so weiter, und werde natürlich nicht mal fertig, da ist die Stunde schon zu Ende. Am Freitag geht es weiter.
Ich bekomme eine Fahrkarte für die U-Bahn – tolles System, das möchte ich für deutsche Städte bitte auch, und zwar am liebsten kompatibel, also gleich so, dass es in allen Städten mit derselben Karte funktioniert: man hat eine Art Scheckkarte, die man mit einem Guthaben auflädt, und die muss man nur beim Betreten und Verlassen der U-Bahn an ein Gerät halten, und der entsprechende Betrag wird abgezogen. Stattdessen steht man in Deutschland in jeder Stadt wieder neu vor den Automaten wie der letzte Idiot und versteht erstmal nur Bahnhof.
Und dann gehen wir in einen Handyladen und probieren aus, ob eine chinesische Karte in meinem Telefon funktioniert. Tut sie nicht, ich kaufe ein billiges Handy mitsamt Karte und Freiminuten und Frei-SMS und soundsolange Frei-Wi-Fi für 350 ¥, das sind gut 40,- €. Super, da denke ich seit Monaten darüber nach, ob ich für einen Euro ein neueres iPhone nehme oder doch lieber für ein paarhundert das Fairphone ausprobiere, und dann sowas. Jedenfalls bin ich jetzt in China telefonisch zu erreichen, die Nummer gibts auf Anfrage.
Spätestens ab morgen werde ich einen Riesenhunger haben. Komisch, so kenne ich mich gar nicht, dass ich so wenig esse. Ob ich die Schweinefüße probiere?
Sonntag morgen um zehn aus dem Haus, zum Flughafen. Um zwölf geht der Flug nach Frankfurt, Ankunft viertel nach eins, Kaffee mit Therealstief, um fünf Uhr Weiterflug nach Nanjing. Ich habe Glück – die Dame neben mir setzt sich um, und ich habe zwei Plätze für mich. Nicke gelegentlich für zwanzig Minuten weg, aber von „schlafen“ kann dann doch keine Rede sein.
Ankunft in Nanjing gegen elf Uhr vormittags Ortszeit, das ist für mich vier Uhr nachts. Zwei wirklich reizende Studentinnen holen mich ab und fahren mit mir mit dem Taxi zum Hotel, über das ich mal gnädig schweige. Wir wollen kurz was Kleines zu Mittag essen, diese Teigtaschen, die auf Japanisch Gyôza heißen, auf Chinesisch habe ich es vergessen. Ich habe vielleicht vier geschafft, dann wurde mir schwindelig vor Müdigkeit. Du meine Güte, bloß, weil man mal vierundzwanzig Stunden am Stück wach ist. Das war sicher unhöflich, aber ich wollte nur ins Bett. Kein Foto vom ersten Essen gemacht.
Gut: das Internet funktioniert, wenn auch nicht immer zuverlässig auf allen Webseiten.
Sofort eingeschlafen. Zehn Minuten später geht draußen eine Veranstaltung mit Gesang los, dass man meint, direkt neben dem Verstärker zu schlafen. Unfassbar laut.
Um sechs von den nächsten tollen Frauen abgeholt worden, zum Essen. Immer noch kein Appetit, zu müde. Trotzdem nett unterhalten, alle sind wirklich superfreundlich, sprechen hervorragend Deutsch, auch die Studentinnen, und kümmern sich wunderbar, ich fühle mich sehr gut aufgehoben. Kein Foto vom zweiten Essen gemacht.
Zu guter letzt mit einer deutschen Studentin kurz einkaufen gewesen, Shampoo, Duschgel, Toilettenpapier, Putzzeug und das vielleicht schönste Handtuch der Welt. Jetzt ins Bett fallen, morgen zum ersten Mal Uni.
Das einzige Bild, das ich gemacht habe, ist die Aussicht aus meinem Fenster. Hier bin ich dann die nächsten vier Wochen. Und das schöne Handtuch. Es ist quadratisch und ganz flauschig.
Mehr als die paar Stichworte geht heute nicht mehr, ich falle gleich wieder ins Bett. Und morgen lerne ich U-Bahn.
Letztes Wochenende waren wir auf Helgoland; die sogenannte „Klassenfahrt“ mit einer ganzen Bloggertruppe, die wir jetzt schon zum dritten Mal unternommen haben. Das war schon seit einem Dreivierteljahr geplant, und der Deal ist: wir bekommen ein ziemlich nettes Angebot vom wirklich sehr tollen Aparthotel Klassik, und dafür schreiben wir das Internet voll, wie toll die Insel ist. Hat irgendwie diesmal nicht geklappt. Also, Helgoland hat geklappt, es war auch supertoll, wie immer, nur etwas kürzer, weil am Samstag schon klar war, dass am Sonntag wegen des Sturms kein Schiff mehr fahren würde und wir deswegen schon Samstag zurückgekehrt sind, aber das mit dem Bloggen hat nicht geklappt. Man lese und sehe stattdessen bei Maximilian nach (Bilder, mehr Bilder, noch mehr Bilder), bei Señor Rolando (hier oder hier), bei Markus Trapp, beim Eimerchen (hier und hier), bei Little Jamie. Habe ich jemanden vergessen?
Denn wer ein kleines Helgolandwochenende ein Dreivierteljahr im Voraus plant, der plant vielleicht einen Monat China nur ein paar Wochen im Voraus, beziehungsweise plant sie vielleicht sogar gar nicht, sondern das fällt einfach vom Himmel, und ist dann eine Woche vorher doch einigermaßen aufgeregt. Was allerdings nicht dazu führt, dass ich inzwischen großartig „vorbereitet“ wäre, ich habe wenig Ahnung, wie Nanjing ist, was man dort gesehen haben muss und so weiter. Ich habe ein paar Pläne, was ich mit den Studenten machen möchte, aber auch da muss ich erstmal sehen, wie die so drauf sind, was sie können, was sie sonst machen und was sie wollen. Also springe ich wohl einfach ins kalte Wasser, das ist ja sowieso oft am besten. (Liest vielleicht schon jemand mit? Hallo, Uni Nanjing?)
Trotzdem habe ich diese ganze Woche auf die ein oder andere Weise mit Vorbereitungen verbracht. Ich habe mir eine neue kleine Kamera gekauft, weil in der alten ein Fleck auf dem Sensor ist, den zu entfernen sich wohl nicht lohnen würde, oder wenn, dann jedenfalls zu lange dauern würde. Deswegen gibt es auch keine Helgolandbilder, weil er da überall drauf ist. Ich habe mir einen großen Koffer gekauft, obwohl ich mir schon immer etwas darauf einbilde, mit kleinem Gepäck zu reisen, aber für vier Wochen bei möglichen Temperaturen zwischen 0 und 23°C plus Arbeitsmaterial, nun ja. Jetzt werde ich gleich mal probepacken und das Ding wiegen, der neue Koffer kommt mir wirklich gewaltig vor, das wird bestimmt zu schwer. Überhaupt war ich jetzt die ganze Woche im Erledigungsmodus, habe alles mögliche noch fertiggemacht, ein Interview geführt, Rechnungen geschrieben, Rechnungen bezahlt, Dinge auf der To-Do-Liste abgehakt, die da schon ewig standen, Freunde getroffen und mich ein bisschen davor gefürchtet, dass ich den Mann fürchterlich vermissen werde in den kommenden vier Wochen, und mich gleichzeitig vorgefreut.
Noch zweimal schlafen.