Lesereise: Silber

Die 25. Lesung war eine Menülesung. Es war meine erste, und sie war sehr schön, das Essen toll, die Gäste super. Einmal gab es eine Lesung mit Musik, mit (na gut, eher irischem als schottischem) Folk, mit Dudelsack und Gitarre und Gesang, das war auch toll. Überhaupt bin ich – das klingt jetzt möglicherweise etwas un-überraschend – ein großer Fan von Buchhändlerinnen und Buchhändlern. Natürlich mochte ich Buchhandlungen auch schon vorher. Aber jetzt war ich in knapp 25 Buchhandlungen eingeladen (zwei, drei Mal waren es andere Veranstalter) und bin ganz verliebt: Was Buchhändler sich alles einfallen lassen! Sie gestalten Plakate und hängen sie auf, haben zum Teil ganz tolle Eintrittskarten, holen den benachbarten „vom Fass“ oder Italiener dazu, der Getränke und Häppchen verkauft oder spendiert, andere schenken kostenlos Wein aus, manche machen Häppchen, manche sogar echt britische Sandwiches, haben Whisky und Drambuie und Shortbread und Hobnobs da, legen schottisch karierte Decken auf die Büchertische, hängen große Pfauenbilder an die Wand, dekorieren ganze britische Schaufenster oder bauen veritable Bogdan-Altäre mit dem Pfau und Sachen machen und meinen Übersetzungen, mit Plakaten und Deko und allem Schischi. Und ich bin jedes Mal aufs Neue gerührt. Sie holen mich am Bahnhof ab und bringen mich ins Hotel und holen mich später am Hotel ab und bringen mich zur Buchhandlung und am nächsten Morgen wieder zum Bahnhof. Sie kümmern sich und sind total reizend, allesamt. Und dann kommen die Kunden, denen sie mein Buch zum Teil schon ans Herz gelegt haben, die es zum Teil schon gelesen haben, und immer habe ich das Gefühl, das Verhältnis zwischen Buchhändlerinnen und Kundinnen ist ein Besonderes, man kennt sich, man mag sich, es herrscht immer eine herzliche, entspannte und vergnügte Stimmung. Liebe Buchhändler: Ihr seid toll. Echt jetzt mal.

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Die Zuhörer sind auch toll. Sie kommen, weil sie Spaß haben wollen, und dann haben sie hinterher noch ganz viele Fragen und sind total interessiert. Wie man auf so eine Idee kommt. Wie das mit dem Übersetzen ist. Was man, ganz unverblümt, als Übersetzerin eigentlich verdient. Was mich inspiriert. Warum der Pfau ein Pfau sein muss, und warum kein Affe. Warum die Chefin eine Frau und die Mitarbeiter vier Männer sind, und ob das nicht auch umgekehrt hätte sein können. Warum ich mich so gut mit Bankern und mit Teambuilding auskenne. (Spoiler: Tu ich gar nicht.) Dass man den Pfau ja auch politisch lesen kann, als Hierarchiekritik. Oder die 96jährige Dame in breitem Kölsch: „Wat isch mal fraren wollte: Denken Sie beim Schreiben eijentlisch auch an misch? Weill, Sie müssen misch unterhallten, Sie müssen mir den Alltag anjenehmer machen. Wenn Sie dat schaffen, dann sinn Sie für misch ne super Autorin! Isch bin ja Ihr Suppentopf. Ohne misch hätten Sie ja nix zu essen. Da müssen Sie beim Schreiben ja auch an misch denken.“

Manchmal war die Lokalpresse da und hat berichtet. Ich hieß Isabel, Isabell, Isabelle und Isabella. Ich hieß Bogdan, Bodgan und Bogdahn. Macht nichts, sowas passiert. Ich hatte sehr einfache Einzelzimmer und sehr schöne, große Doppelzimmer. In Köln hatte ich drei Nächte hintereinander das selbe Bett, das war schön. Ich hatte morgens um acht den lautesten Staubsauger der Welt direkt vor der Tür eines winzigen Einzelzimmers, also quasi direkt neben meinem Bett. Ich hatte einen Supermarkt nebenan, der um halb sieben beliefert wurde, mit einem ganzen LKW voll Zeug. Das macht alles nichts, ich mag das alles und schlafe hinterher weiter. Ich hatte herrlich ruhige Zimmer. Ich hatte doofe Kopfkissen, und ich hatte total bequeme Betten. Ich hatte tolle und schlimme Frühstücke. Ich habe für 12 oder für 140 Leute gelesen, meistens irgendwas dazwischen. Ich habe unfassbar viele Komplimente bekommen, jeden Abend wieder. So viel Liebe, so viel Schönes, so viel Freundlichkeit und Begeisterung von wildfremden Menschen. Das macht manchmal so rosa Glitzerwölkchen um mich herum. Ich habe ein Buch signiert für eine Cousine, die Krebs hat und nicht wieder gesund werden wird. Ich habe meistens viel zu wenig von den Städten gesehen, in denen ich war. Ich habe mir zwischendurch ein Kleid gekauft und ein T-Shirt.
Einmal bin ich ganz kurzfristig bei einem sehr schönen Festival im Salzkammergut für einen erkrankten Autor eingesprungen. Der Autor war wichtig, ich habe die schicke Suite bekommen, die für ihn vorgesehen war, in der schönen Wasnerin, habe mit großen Autoren zusammen gelesen (Clemens Setz! Thea Dorn! Marjana Gaponenko! Martin Walser! Hans Platzgumer!) und im Whirlpool auf der Dachterrasse gelegen und aufs Dachsteingebirge geguckt. Das war ein sehr schönes und glamouröses Wochenende. Und die Geschichte vom allerdollsten Zimmer erzähle ich ein andermal gesondert.
Aber normalerweise packt man morgens wieder den Koffer und fährt wieder zum Bahnhof und fährt in die nächste Stadt und sucht sich das nächste Hotel und die nächste Buchhandlung und fängt von vorne an. Die Bahn ist nach wie vor mein Freund, auch wenn ich von einem Besuch des Dortmunder Hauptbahnhofs an Fußballsamstagen eher abraten möchte. Das macht alles großen Spaß, und ein bisschen anstrengend ist es auch, aber ich habe dann auch immer wieder ein paar Tage dazwischen, an denen ich zu Hause bin.

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Gestern Morgen bin ich aufgewacht und habe noch im Halbschlaf überlegt, in welcher Stadt ich bin und wie das Hotelzimmer aussieht, in dem ich liege. Dann fiel mir ein, dass ich zu Hause bin, und ich habe mich gefreut. Hier bleibe ich jetzt die ganze Woche, am Freitag lese ich in Hamburg, im Büchereck Niendorf. Nächste Woche geht es dann wieder los, darauf freue ich mich auch.

12 Kommentare

  1. Thomas Brasch Dienstag, 24. Mai 2016 um 00:21 Uhr [Link]

    Schön zu lesen. Wünsche dir noch jede Menge Abende des kleinen Glücks. Freitag in Hamburg wird sicher ein Highlight.

  2. imke Dienstag, 24. Mai 2016 um 00:43 Uhr [Link]

    Ich hätte noch mindestens anderthalb Stunden länger zuhören und weiterplaudern können.
    Viele Grüße aus Mülheim.

  3. Kiki Dienstag, 24. Mai 2016 um 06:10 Uhr [Link]

    Das klingt supertoll und ich freu‘ mich sehr für Dich! Ich bin mit einer Freundin letzte Woche die Sylter Buchhandlungen durchgegangen, bis sie noch eine Erstausgabe des Pfaus fand, die sie sich signieren lassen möchte. Hoffentlich klappt’s Freitag!

  4. Frische Brise Dienstag, 24. Mai 2016 um 08:23 Uhr [Link]

    Hachhach!

  5. frauziefle Dienstag, 24. Mai 2016 um 12:47 Uhr [Link]

    Das ein oder andere Bettchen erinnert mich sehr an welche, die ich kannte…. aber ich glaube, ich kann mir Betten ähnlich schlecht merken wie Mode.
    So ein schöner Bericht!
    Und ich freue mich doll darüber, dass du die veranstaltenden Buchhändler*innen ebenso erlebt hast wie ich bei meinen Fahrten, Buchhändler*innen sind nämlich wirklich toll, und Leser*innen auch! Lesungsbesucher*innen erst recht!
    Nur das Bahnfahren kenn ich nicht, ich bin ja immer im Wagen unterwegs. Da passen halt dann leider keine Fußballfanhorden rein :))

  6. LiFe Dienstag, 24. Mai 2016 um 14:41 Uhr [Link]

    Wirklich, sieht alles optisch perfekt aus! Well done! :-))

  7. Andrea Donnerstag, 26. Mai 2016 um 16:19 Uhr [Link]

    Liebe Isa,
    Du wunderst Dich über „So viel Liebe, so viel Schönes, so viel Freundlichkeit und Begeisterung von wildfremden Menschen“?
    Tja, da kann ich nur sagen: wenn man Dein Buch gelesen hat, dann will man eben so sein. Oder wird erinnert, wie schön es ist, so zu sein. Das ganz normale, oft kuriose Leben, macht „nett“ eben doch deutlich mehr Spaß!
    Auf viele unverhoffte rosa Glitzerwölkchen!

  8. Thomas Freitag, 27. Mai 2016 um 12:26 Uhr [Link]

    Hab mir den Pfau gerade aus der Stadtbücherei Markkleeberg ausgeliehen. Ja, auch bis hierhin ist er geflogen!
    Kollegiale Grüße
    Thomas

  9. Gaga Nielsen Samstag, 28. Mai 2016 um 00:23 Uhr [Link]

    Das ist eine tolle Serie mit den ganzen Betten!

  10. Schlachterin Samstag, 28. Mai 2016 um 16:59 Uhr [Link]

    Vor allem das mit dem Schwan. Oder soll das etwa ein weißer Pfau sein? Ein Albino-Pfau?

  11. Anke Mittwoch, 1. Juni 2016 um 19:55 Uhr [Link]

    Warum musste es denn ein Pfau sein und kein Affe? Ich war ein bisschen besorgt, als Affen-Fan, wie es dem Plüschaffen wohl weiter ergeht. Schön, dass er geliebt wird, hoffentlich nicht kaputtgeliebt :-)

  12. Interview: Isabel Bogdan, “Der Pfau” | stefan mesch Samstag, 25. Juni 2016 um 14:34 Uhr [Link]

    […] bin begeistert, dass sich Isabel die Zeit nahm, so ausführlich auf meine Fragen zu antworten – obwohl sie mit dem Buch dauernd unterwegs ist – und reiche das Interview heute endlich […]

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