Liebes Tagebuch,
was kürzlich noch wie ein ziemlicher Berg Arbeit vor mir lag, ist zum allergrößten Teil geschafft. Denn die Arbeit ist ein Scheinriese, wie schon weiland Frau Sopran feststellte, man muss nur ran, und dann wird sie immer kleiner. Soll heißen: ich habe das Buch durchübersetzt, und ich habe ein fünftägiges Seminar gegeben. Das Buch muss ich noch einmal überarbeiten, dafür habe ich aber ausreichend Zeit, das geht jetzt schön entspannt.
So ein Seminar ist immer ein bisschen aufregend – wenn man das alle zwei Jahre mal macht, ist es nicht gerade Routine, vorher denke ich immer, ich bin wahrscheinlich bekloppt, mich darauf einzulassen, und kurz bevor es losgeht, finde ich fünf Tage auch viel zu lang, und dann macht es auf einmal *plopp*, und die fünf Tage sind rum und man hätte eigentlich auch noch gut weitermachen können, weil dann doch wieder alles nett war. Außerdem passieren immer tolle Sachen in diesen Seminaren, zum Beispiel geht es in einer der besprochenen Übersetzungen darum, dass eine Frau ihrem verwirrten Mann ein Foto aus Bagdad zeigt, auf dem Schneeflocken herumwirbeln, und ich frage nach, ob es denn in Bagdad etwa jemals schneit, und die zuständige Kollegin sagt, es gab einmal Schnee in Bagdad, das war 1912 (ungefähr), und wir finden, in der Übersetzung könnte die Frau zu ihrem Mann sagen „Weißt Du noch, der Schnee in Bagdad“, und Jenny sagt, das klinge ja wie eine Schlagertextzeile, und dann dichtet sie mal kurz eben nebenbei den gesamten Schlager, passend zum besprochenen Text.
Schnee in Bagdad von Jenny Merling
Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
Ach, er war so wunderschön.
Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
Ach, könnt‘ ich ihn wiederseh‘n.Was war das für ein Gestöber
unverhoffter Flockenfall
in deinem Bart, in meinen Zöpfen:
Weiße Sternchen überall.Joseph, du mein Herzensguter,
Joseph, du mein lieber Mann,
weißt du noch, wir beide damals -
Schneespaziergang, Hand in Hand.Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
Und wir beide mitten drin
Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
Schnee und Jugend, längst dahin.Denn der Schnee in Bagdad taute,
blieb nicht lang, die schöne Pracht.
Heute sind wir alte Leute
und in deinem Kopf herrscht Nacht.Doch ich lieb‘ dich noch wie damals,
lebst du auch nicht mehr im Hier.
Ruf‘ den Schnee dir in Erinnerung,
hoff‘, du findst zurück zu mir.Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
War er nicht unglaublich schön?
Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
Einmal noch ihn wiederseh‘n…Ach, ich hoff‘ so, du erinnerst,
wie wir glücklich war‘n zu zweit.
Wir war‘n jung, verliebt und sorglos
lang ist sie nun her, die Zeit.Schnee in Bagdad gab’s nie wieder
der ist fort und kommt nicht mehr.
Doch ich sing‘ die alten Lieder,
tut’s auch weh und ist’s auch schwer.Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
Ach, es war so wunderschön.
Weißt du noch, der Schnee in Bagdad?
Ach, könnt‘ ich ihn wiederseh‘n.
An der Melodie wird noch gearbeitet, und dann würde ich sagen: ESC 2014, oder?
Am Wochenende war schönes Wetter in Hamburg, also so okayish-schön für Hamburger Verhältnisse, nicht besonders warm, aber halbwegs sonnig und trocken, und ich habe zwei Tage am Stück GAR NICHTS gemacht, wir waren an der Strandperle, wie großartig ist das denn bitte? Das nehme ich mir eigentlich andauernd wieder vor: öfter vorsätzlich nichts zu tun, nicht immer irgendwelche Arbeit aufschieben und machen wollen und dann doch nicht erledigen, das ist total unbefriedigend und macht nur ein schlechtes Gewissen. Konzentrierter arbeiten, mehr geplante Pausen machen. What else is new.
Ab morgen geht es dann weiter mit der Überarbeitung und allem möglichen, Terminetermine – hey, ich hab wieder Zeit für sogenannte Termine! Montag Lesung, Dienstag TEDx, und so weiter, lauter tolle Sachen. Jippie! Und wenn es dann bitte auch Sommer werden könnte, vielen Dank.
Anna-Christin Montag, 3. Juni 2013 um 09:47 Uhr [Link]
1912 plusminus, wohlgemerkt. Finde jetzt natürlich den entsprechenden Link auf die Schnelle nicht, vielleicht wars auch 1908. Es kommt jedenfalls vor. Selten, aber vor.
Isabel Bogdan Montag, 3. Juni 2013 um 11:17 Uhr [Link]
Danke, ist – ähm, „korrigiert“.
Rebekka. Samstag, 26. April 2014 um 16:49 Uhr [Link]
Diesen Post hab ich mir [anscheinend seit Monaten?] im Kalender gemerkt/mitgeschleppt/vorgehalten, weil ich den Liedtext so berührend finde, und jetzt kommentiere ich endlich: Nix mit ESC, sondern pure emoción!!