Tag 4 – Dein Hassbuch

Hass, meine Güte. Bisschen heftig für ein Buch, oder? Wenn ich ein Buch nicht mag, lege ich es beiseite. Aber ich riskiere doch keine Magengeschwüre deswegen. Ich mag schon das Wort hassen nicht, das ist mir nicht nur für Bücher zu heftig, sondern auch sonst.
So. Aber ein Buch hat mir wirklich einen Klumpen im Magen gemacht, und zwar eines, das ich übersetzt habe, dem ich also nicht ausweichen konnte. Das ist mir wirklich schwer gefallen, ich konnte es nicht leiden, ich fand alles daran schlecht, die Figuren unglaublich unangenehm, die Geschichte war schlecht, voller Klischees und logischer Unstimmigkeiten, und sie war schlecht erzählt, die Bilder stimmten nicht und jeder Satz fing mit „I“ an, und es war einfach von vorne bis hinten alles grauenhaft, und es war auch noch Winter und schlechtes Wetter und dunkel draußen und ich war mal wieder spät dran und unter Druck, und dann hat die Lektorin mir auch noch fürchterlichen Unfug reingeschrieben, sodass ich beim Fahnenlesen alles gleich noch mal doppelt furchtbar fand, das war wirklich, wirklich hart, und ich konnte das Buch einfach abgrundtief nicht leiden.
Und dann wurde es, als es eigentlich schon vorbei war, noch mal hart, als es nämlich ungefähr gleichzeitig mit meinem Lieblingsbuch (von meinen Übersetzungen) erschien, und das Hassbuch sieht schön aus, und das Lieblingsbuch ist optisch das hässlichste von all meinen Übersetzungen. Das hat mir wirklich das Herz gebrochen. Über das Hassbuch bin ich hinweg, der Stapel mit den Belegexemplaren liegt unverschenkt im Regal, ich denke nicht weiter daran. Ist auch schon eine Weile her. Das Lieblingsbuch hingegen bricht mir immer noch das Herz, weil es so ein wundervolles Buch ist und so schrecklich aussieht.
Manchmal werde ich gefragt, was man als Übersetzer macht, wenn man ein Buch nicht leiden kann. Gute Frage! Nach Möglichkeit gar nicht erst annehmen, natürlich. Wenn’s aber schon passiert ist: Augen zu und durch. Profi sein. Sich sagen, dass es ein Job ist und man dafür Geld bekommt, und man diesen Job ebenso professionell erledigt wie alle anderen. Wenn man Glück hat, hat man einen Mann, der einem sagt, ja, Du hast recht, das ist alles ganz schrecklich und Du bist ein armer kleiner Hase, aber komm, mach noch eine Seite, ich koch Dir Pudding.
Bevor Ihr fragt: ich werde hier sicher nicht öffentlich sagen, welches Buch ich so schrecklich fand. Schlimm genug, dass ich überhaupt so rumschimpfe.
Und jetzt wird wieder gutgefunden statt gehasst.

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7 Kommentare

  1. Kat Samstag, 9. Oktober 2010 um 14:45 Uhr [Link]

    Ich weiss es! Ich weiss es! *Voll das Insiderwissen*
    ;-)

  2. Christiane Samstag, 9. Oktober 2010 um 19:32 Uhr [Link]

    Ist mir auch schon passiert ;-) Mein Umut (höflich ausgedrückt) richtete sich aber nicht gegen das Buch, sondern den Autor. Wie kann man nur so einen Quark schreiben und dafür auch noch einen Verlag finden, wo doch bestimmt zig erstklassige Manuskripte in Schubladen schlummern? Ich wurde sogar handgreiflich. Da es noch in der Vorcomputerzeit war, gelang mir das Kunststück, während der endlos öden Arbeit zwei (2!) Schreibmaschinen „versehentlich“ vom Schreibtisch zu fegen. Anschließend musste ich mir eine leihen, um das Machwerk fertigzustellen. Bis heute ist mir schleierhaft, was ich da mit den Schreibmaschinen angestellt habe. Eigentlich waren die doch unkaputtbar?

  3. R Sonntag, 10. Oktober 2010 um 10:17 Uhr [Link]

    „Welches ist das hässliche Lieblingsbuch?“ ist doch die viel spannendere Frage, oder?

  4. mrks Sonntag, 10. Oktober 2010 um 10:38 Uhr [Link]

    Und darf man fragen, welches das Lieblingsbuch ist, von dem du da schreibst?

  5. Isabel Bogdan Sonntag, 10. Oktober 2010 um 11:41 Uhr [Link]

    Tamar Yellin: Das Vermächtnis des Shalom Shepher.

  6. R Sonntag, 10. Oktober 2010 um 15:34 Uhr [Link]

    Auf den Wunschzettel, ähh die Merkliste, damit.

  7. Kat Montag, 11. Oktober 2010 um 08:24 Uhr [Link]

    „Tamar Yellin: Das Vermächtnis des Shalom Shepher.“

    Was eindeutig ein besseres Cover verdient hätte…

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