Der deutsche Buchpreis 2010
… geht an Melinda Nadj Abonji für „Tauben fliegen auf“. Herzlichen Glückwunsch!
„Melinda Nadj Abonji erzählt, aus der Perspektive der Tochter Ildiko, die Geschichte einer ungarischen Familie aus der serbischen Vojvodina, die sich eine Existenz in der Schweizer Gastronomie gründet. Sie erzählt es mit einer eigenen und äußerst lebendigen Stimme, zunächst noch mit dem Blick des Kindes auf die Welt, dem alles neu ist und sich doch von selbst versteht, dann der jungen Frau, die allmählich die Brüche in und zwischen diesen sehr verschiedenen Welten wahrnimmt, immer aber mit einer großen Empathie und Humanität. Was als scheinbar unbeschwerte Balkan-Komödie beginnt, wenn die Familie mit einem klapprigen braunen Chevrolet die sommerliche Reise in die alte Heimat antritt – darauf fallen bald die Schatten der Geschichte und der sich anbahnenden jugoslawischen Kriege. So gibt das Buch ,Tauben fliegen auf’ das vertiefte Bild eines gegenwärtigen Europa im Aufbruch, das mit seiner Vergangenheit noch lang nicht abgeschlossen hat“, so die Begründung der sieben Jury-Mitglieder.
Ich habe das Buch nicht gelesen, kann also nichts dazu sagen, außer: war Melinda Nadj Abonji nicht die Heulsu Dame, die, nachdem sie beim Bachmannpreis vor ein paar Jahren nichts gewonnen hatte, ans Mikro trat und die Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen und des Bachmannpreises im Besonderen beklagte? Ah, genau, das war sie (danke, Aleks). Äh, nun ja. Allerdings sollte man Leuten vielleicht nicht ihre gekränkten Reaktionen von Vorgestern vorwerfen, denn das hat ja nichts damit zu tun, dass das bestimmt ein toller Roman ist.
Immerhin heißt die Protagonistin Ildiko, und ich habe heute morgen diesen meinen Text in diese tolle Maschine eingegeben, und dabei kam heraus, dass ich schreibe wie Ildiko von Kürthy. Da war ich erst ein bisschen, äh, dings, nachdem aber dieselbe Maschine behauptete, dieser Text sei geschrieben wie von Franz Kafka und der Lotterlebentext wie Charlotte Roche, war ich versöhnt. Oder, naja.
Wo war ich? Buchpreis. Von den Buchpreisträgern der letzten Jahre gelesen habe ich Arno Geigers „Es geht uns gut“ (2005), das fand ich, glaube ich, so ganz okay, aber nicht herausragend. „Die Mittagsfrau“ von Julia Franck (2007) fand ich sprachlich irgendwie unzulänglich, sodass ich schon keinen Blick mehr für den Inhalt hatte, erinnere mich aber an einzelne Szenen, die offenbar doch ganz eindringlich waren. Außerdem war ich dem Buch sowieso schon nicht wohlgesinnt, weil ich in dem Jahr wollte, dass Katja Lange-Müller den Preis bekommt. Und schließlich „Du stirbst nicht“ von Kathrin Schmidt (2009), das hat mich schon beeindruckt, wurde dann aber immer zäher, sodass ich es schließlich nicht mal zu Ende gelesen habe.
Man könnte, wenn man wollte, ein System erkennen: dass ich den Preisträger nämlich nur in ungeraden Jahren lese. Mal sehen. Es gab auf der diesjährigen Shortlist Bücher, die mich mehr interessieren, allerdings ohne dass ich das triftig begründen könnte. Und ich lasse mich natürlich auch gern eines Besseren belehren. Hat jemand das Buch schon gelesen?
NACHTRAG: Hier gibt es eine Leseprobe, und hier einen Artikel von FOCUS-Redakteur und Jury-Mitglied Jobst-Ulrich Brand „über eine kleine Sensation und ein großes Buch“. Klingt wirklich spannend. Und wieder eins mehr auf dem Wunschzettel.
saoirse Dienstag, 5. Oktober 2010 um 11:35 Uhr [Link]
Nein, aber ich werde es auf jeden Fall lesen, schon wegen der heimatlichen Nähe zur Autorin (Be?ej ist nur einen Steinwurf von Novi Sad entfernt, wo ich aufgewachsen bin). Ich kann dann dir also bald was darüber erzählen. Übrigens – zu dem Stapel da oben kann ich nur sagen: heb dir die Romane für lange Winterabende auf, aber ‚Eats, shoots and leaves‘ MUSS man gelesen haben. Und dann auch sofort im Anschluss ‚Eats, shites and leaves‘ von A. Parody.