Was ist das eigentlich mit Helgoland? Wieso fahre ich da immer wieder hin?
Helgoland ist einen Quadratkilometer groß. Was ganz schön klein ist. Es ist an vielen Stellen sehr hässlich. Betonmauern, insgesamt sicher mehrere Hundert Meter lang, und rostige Spundwände. Betontetrapoden als Wellenbrecher. Diese Tonnen und Tonnen und Tonnen von Beton nennt man: Küstenschutz. Küstenschutz bedeutet anscheinend, dass man die Küste einfach wegmacht. Die eigentliche Küste, die natürliche, muss irgendwo unter dem ganzen Beton und den rostigen Spundwänden liegen. Nur läge sie da ohne den Beton wahrscheinlich gar nicht mehr, sondern das Meer hätte die Insel inzwischen noch kleiner gemacht.
Aber außer hässlich ist Helgoland halt auch noch zauberhaft. (mehr …)
(Über den Goethestein hinter der Burg Frauenstein bei Wiesbaden)
Der „Goethestein“ beruht auf einem historischen Missverständnis. Schon im Mittelalter lag oben auf dem Hügel hinter der Burg Frauenstein (12. Jahrhundert) ein Findling, dem magische Kräfte zugesprochen wurden; möglicherweise galt der Hügel sogar bereits in heidnischer Zeit als heiliger Ort. Es gibt Berichte von der Heilung schlimmer Krankheiten, von neuer Hoffnung in hoffnungslosen Lebenssituationen, von der Erlösung von Dürreperioden und anderen Katastrophen, die dem Stein zugeschrieben wurden. Angeblich soll schon Karl der Große vor seinem Feldzug gegen Herzog Hunold von Aquitanien hier gewesen sein. Der Findling wurde daher „der gute Stein“ genannt, „der guote Stein“; es gab hier keine Hexen oder bösen Geister, sondern von dem Stein ging stets ausschließlich Gutes aus. Unklar ist, wann, auf welche Weise und wohin der Stein verschwunden ist. Dass er existiert hat, gilt jedoch als gesichert, er ist auf zahlreichen Gemälden abgebildet und wird in verschiedensten historischen Quellen erwähnt.
Mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert verlor der Aberglauben im Volk nach und nach an Bedeutung, und mit ihm auch der Gute Stein. Der Ort oben auf dem Hügel muss den Namen „Guter Stein“ im Volksmund aber behalten haben, auch wenn er auf Karten aus der Zeit nicht verzeichnet ist.
Ende des 19. Jahrhunderts findet sich die erste urkundliche Erwähnung eines „Goethesteins“; vermutlich war der Findling zu dieser Zeit allerdings schon entfernt worden und nur der Ortsname war – mit einer leichten Veränderung – geblieben.
Der Germanist und spätere Nazifunktionär Dr. Johannes Stein setzte sich Ende der zwanziger Jahre dafür ein, an dem Ort, der bekanntermaßen „Goethestein“ hieß, nun endlich auch einen Goethestein zu errichten, zum Gedenken an den großen deutschen Dichter, der stets nach Höherem gestrebt habe. Und so wurde 1930 nach einem Entwurf Johannes Steins der hohe, schmale Tetraeder errichtet, und seitdem mit allerlei Goethezitaten in Verbindung gebracht: „Das ewig Weibliche zieht uns hinan“, „Himmelhochjauchzend“ oder „Warum doch erschallen himmelwärts die Lieder“.
Im Moment untersuchen Historiker und Geologen, ob es sich beim „Goethestein“ im Schlosspark zu Gotha um den Findling handeln könnte, den „guten Stein“, der einst auf dem Hügel hinter dem Frauenstein lag.
[Das ist alles erstunken und erlogen und mein Beitrag zu 63,75.]
Pfiffige Sichtweisen auf eine im Grunde ihres Herzens liebenswerte Stadt. 63 Menschen schreiben über 75 Orte, Objekte, Sachverhalte in Wiesbaden.
Die Idee: die unterschiedlichsten Autoren bekommen per Mail ein Bild und eine ganz knappe Info über einen Platz in Wiesbaden. Und dann sollen sie über diesen Platz schreiben. Die allermeisten Autoren waren noch nie in Wiesbaden – wer wäre schon je in Wiesbaden gewesen, ich jedenfalls nicht –, mussten und sollten sich also kurzerhand etwas ausdenken. Zu einem Foto aus einer Stadt, die sie nicht kennen. Was für eine wunderbar beknackte Idee, da habe ich natürlich gerne mitgemacht, und außer mir noch 62 weitere Leute. Viel Bloggerprominenz dabei. Ich habe über den Goethestein geschrieben, extra kurz, weil ich das mit dem Layout irgendwie falsch verstanden hatte, aber egal.
Was anfangs als Ausgabe des Heimatmagazins geplant war, das die Agentur Stijlroyal regelmäßig herausgibt, ist plötzlich zu einem ganzen Buch angewachsen – und was für einem! DIN A3, durchgehend farbig, wunderschön gestaltet, liebevollst layoutet und mordsschwer. Und man kann es kaufen, für schlappe 39,90 €, am besten direkt beim Erzeuger oder halt bei Amazon. Für alle, die Wiesbaden lieben oder die sich noch nie für Wiesbaden interessiert haben. Ganz großer Spaß, tolle Bilder, tolles Layout und wirklich tolle Geschichten, dabei habe ich gerade erst angefangen zu lesen. Wiesbaden! Warum eigentlich nicht?
PS: Mein Text kommt morgen.
Gastbeitrag von Kara McKechnie
Ich habe keinen eigenen Blog, ich wohne nicht in Hamburg, komme nicht aus Hamburg und war nur ein paarmal da zu Besuch. Eigentlich keine Beweggründe, mich der allgemeinen Hamburgblogbewegung anzuschliessen. Die nette Frau Isabo, mit der ich einst die Uni besuchte, schlug vor, über Hamburger in Dewsbury zu schreiben. Das Thema ist schnell erschöpft: es gibt in dieser Kleinstadt, wo Innenstadtverfall herrscht, zahllose ‘fast food outlets’. Die kenne ich nur aus Facebookkommentaren. Nach einem Besuch des ‘Dewsbury Socialist Club’ (davon später mehr) geht man gern noch zu The Old Turk, einem spät geöffneten Pub, neben dem sich der notorischste Burger und Kebabladen von allen befindet – und meine Freunde berichten voller Stolz, dass sie dort nachts um 3 etwas konsumiert haben und nun aber nicht mit dem Eimer neben dem Bett siechen! Somit wären die essbaren Hamburger erschöpft. Kurz dachte ich, dass mein Freund Dave mal in Hamburg auf der Werft gearbeitet habe, aber Recherche stellt richtig, dass es Bremen war. Mit Howard. Und eine blonde Hünin namens Katja hat ihm mal dermassen eine verpasst, als sie rausfand, dass er sie eventuell betrogen hatte. Dave ist ein Freund, aber nicht mein Freund: das ist Malcolm, auch ‘The Yorkshireman’ genannt. In Hamburg hiesse der ‘mein Bekannter’, was Harry mir dereinst eingebleut hat. Mein Bekannter und ich, wir mögen Dewsbury. Damit bilden wir nicht gerade eine Mehrheit – zu gross sind die Frustrationen über die Stadt, die eigentlich zwei Städte ist: ziemlich streng geteilt zwischen weisser und muslimischer (British Asian) Bevölkerung nach Wohngebieten, Läden und zunehmend auch Schulen. Offene Feindseligkeiten gibt es nur von von auswärtigem Faschistenpack, wenn es zum Demonstrieren anreist. EDL (English Defence League) nennen sich diese einzelligen Hampelmänner und mein Blutdruck steigt schon beim Hinschreiben. Immerhin lässt man sie meist nur auf dem Bahnhofsvorplatz auf- und abdemonstrieren und alle Pubs machen an solchen Nachmittagen dicht. Feindlich fühlt sich die Trennlinie, die durch Dewsbury verläuft, also nicht an, eher nach Funkstille. Man kommuniziert nicht und spricht doch mit demselben Yorkshire Akzent, man hat den Eindruck, nichts gemeinsam zu haben und dann gibt es natürlich wie in allen Orten mit niedrigem Einkommensdurchschnitt und hoher Arbeitslosigkeit den Sozialneid.
Hm, ‘I’m not really selling this to you’ – zurück zu den Argumenten, wegen denen man Dewsbury mögen kann. Wie in allen Orten im Umkreis lebte man hier im 19. Jahrhundert von der Textilproduktion. Dewsburys Bürger, deren Lokalpatriotismus sich meist in Grenzen hält, witzeln heute noch, mehr als 40 Jahre nachdem die meisten Fabriken dichtgemacht haben, dass man hier im ‘Heavy Woollen District’ die niedrigste Form von Material herstellte, nämlich ‘Shoddy’, nur für Lumpen geeignet. Aber immerhin, dem Shoddy sind eine Reihe grossartiger viktorianischer Gebäude zu verdanken: Pioneer House, leider eine Ruine, Redbrick Mill, Spinkwell Mill, Carr Mill und natürlich Dewsbury Town Hall, das imposante Rathaus.
Der Bahnhof ist auch wunderschön und wenn wir beim Bahnhof angekommen sind, offenbart sich einer der Hauptgründe, warum man Dewsbury mögen muss: The West Riding Refreshment Rooms, einer der besten Pubs in Yorkshire, ach was, England! Dies ist belegt von multiplen wohlklingenden Auszeichungen, wie ‘Heavy Woollen District Pub of the Year’.
Der Slogan ist ‘I missed the train at Dewsbury’, es gibt 8 handgezapfte regionale Biere zur Auswahl, Bierfestivals, wem das noch nicht reicht, und eine unschlagbare Mischung aus schrägen Stammgästen, durchreisenden Fahrgästen und Bierenthusiasten. Draussen ‘Platform 3’, eine kleine überdachte Musikbühne, wo von März bis Oktober zweimal die Woche live gespielt wird. Vom feinsten und alle aus der Gegend: Rebble Rabble, The Troubadors, The Tritones, Home of the Brave und die Gruppe, mit der meine Anbindung an Dewsbury anfing: Eric the Viaduct. Sie bezeichnen sich als ‘Rock’n Roll & Science Fiction’ und man könnte sie auch problemlos bei einem Avantgarde-Theaterfestival einsetzen. Hier ist ein Lied über Beziehungen, das überzeugend darstellt, warum Exfreundinnen in die Kategorien ‘Kuckuck’ oder ‘Schwimmbad’ fallen.
Tja, und dann der andere ebenbürtige Lieblingsort: Dewsbury Socialist Club. Es wird regelmässig darüber abgestimmt, dass man sich nicht in Dewsbury Social Club umbenennt und manchmal erklingt die Internationale am Ende des Abends, wenn die Lichter angehen und Rodney endlich staubsaugen will. Überhaupt, Rodney: er herrscht über die Bar (£1.80 für ein doppeltes Spirituosengeträk – kein Wunder, dass Gastmusiker, wenn sie hier zum ersten Mal spielen, des öfteren angetrunken vom Gitarrenhocker fallen!), er trägt farbige Westen und er leitet sachkundig die Tombolaauslosung, von deren Erlös die Gastmusiker bezahlt werden. Letzte Woche dachte ich, ich sei wieder in Deutschland. Ich hatte nämlich Elaine erzählt, dass Deutsche zu Partys immer Nudelsalat mitbringen und sie hatte sich prompt einen zu ihrem runden Geburtstag gewünscht. Vier Bands spielten, natürlich auch Eric the Viaduct, unter anderem ein Nachruf auf eine lebensgrosse Pappfigur der Queen Mum (Lied: ‘I love the Queen Mother, because she’s old and daft’), die leider kurze Zeit vorher nach einem Gig geklaut worden war. Ich hoffe, die Diebe haben eine sinnvolle Verwendung für sie.
Natürlich gibt es auch Tage, wo man dringend nicht in Dewsbury sein will, aber das ist eher nicht mein Problem, da ich täglich in das nur 15 Zugminuten entfernte Leeds zur Arbeit pendele. Toll, gar keine Entfernung, denkt man. Was ich denke, wenn ich um 7.40 das Haus verlasse, weil ich um 9.00 eine Vorlesung für 150 Erstsemester halten muss und eine Stunde später im Schweinsgalopp den Berg hoch zum Campus hetze, weil alle (privatisierten!) Züge ausgefallen sind oder überfüllt waren……das möchte ich hier lieber nicht kundtun.
Leeds ist auch sehr schön und war früher hauptsächlich für ein höheres Niveau der Textilindustrie (Anzüge von der Stange) und für seine Rhabarberproduktion bekannt, aber das ist ein anderer Blog, über dessen Hamburgbezug ich erst noch nachdenken muss.