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Seit Tagen nicht gebloggt. Almut Klotz ist tot, Wolfgang Herrndorf ist tot, Krebs ist ein Arschloch.
Ich wusste nicht, dass Almut krank ist; ich wusste, alle wussten, dass Wolfgang stirbt. Es macht keinen Unterschied, es haut mich um, beides. Ich kannte sie beide, nicht besonders gut, aber immerhin. Wolfgang kenne ich virtuell quasi schon ewig, wir waren beide von Anfang an im Forum der höflichen Paparazzi; seit ich im Internet herumhänge, war er immer da. Ich hatte immer ein bisschen Angst vor ihm, beziehungsweise Angst, nicht zu genügen, Angst, dass er mich doof und uncool findet, ich habe zu wenig Nabokov gelesen. Was für ein Quatsch. Was für ein Quatsch. Denn in Wahrheit hat er immer nur versucht, Meinungen aus mir herauszuholen, er wollte immer über Bücher sprechen, und warum man was gut findet und was nicht.
Er war mehrfach bei Kaffee.Satz.Lesen, hinterher sind wir immer essen gegangen, die Gespräche waren immer intensiv, und immer wollte ich hinterher endlich Nabokov lesen und habe es doch nicht getan. Almut war auch mehrfach bei Kaffee.Satz.Lesen, vor Almut hatte ich keine Angst, das ging gar nicht, sie war so ein durch und durch freundlicher und zugewandter Mensch, genauso interessiert wie Wolfgang auch, und genauso beeindruckend, aber auf eine ganz andere Weise.
Und dann überlege ich, ob ich jetzt etwas dazu schreibe, dass sie tot sind, es kommt mir nicht richtig vor, gar nichts dazu zu sagen, als wäre nichts passiert, aber genauso wenig kommt es mir richtig vor, etwas zu sagen, denn was soll ich sagen, ich kannte ja beide kaum, wer wäre ich, öffentlich um sie zu trauern, und der Tod macht mich sowieso sprachlos und hilflos. Was ist das überhaupt alles für eine Scheiße.

Eins, was ich aber doch öffentlich sagen möchte, ist dies: Wenn man Wolfgangs Blog in den drei Jahren seiner Krankheit verfolgt hat, dann hatte man immer das Gefühl, dass er die besten Freunde hat, die man sich wünschen kann. Die für ihn da waren, wenn er sie brauchte, die ihn in Ruhe ließen, wenn er in Ruhe gelassen werden wollte, die mit ihm an seinen Büchern arbeiteten und ihn dabei nicht schonten, sondern extrakritisch waren, weil das genau das war, was er brauchte und wollte. Die seine Entscheidungen und Wünsche akzeptiert und ihn ganz offensichtlich durch diese Zeit getragen haben. Ich fand es beim Bloglesen immer ein bisschen tröstlich, dass ich das Gefühl hatte, er ist in dem ganzen Elend so gut aufgehoben bei seinen Freunden, wie man es nur sein kann. Der Trost, den ich daraus gezogen habe, ist natürlich piepegal und tut nichts zur Sache, deswegen wäre es vielleicht auch nicht angebracht, dass ich dafür etwa „danke“ sage. Aber ich wünsche allen in vergleichbaren Situationen genau solche Freunde wie diese. Ihr seid toll.

Das letzte Wort in Wolfgangs Blog, der ganze letzte Eintrag, ist vom 20. August und lautet: Almut. Vielleicht sitzen sie längst zusammen irgendwo und trinken ein Bier und haben es gut. Was für einen Quatsch man sich so ausdenkt, weil es irgendwie tröstlich wäre.

32 Kommentare

  1. serotonic Freitag, 30. August 2013 um 12:46 Uhr [Link]

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  2. Anne Freitag, 30. August 2013 um 12:59 Uhr [Link]

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  3. Die Toni Freitag, 30. August 2013 um 12:59 Uhr [Link]

    Es ist gut etwas zu schreiben, es ist gut, zu erinnern. Ich hatte das gehofft und bin froh, dass Sie nicht still darüber hinweggehen, wie so viele Blogs, die ich gerne lese. Auch wenn Sie dadurch kein Happysunshineblog sind. Aber dafür veröffentlichen Sie eh zu wenig Rezepte.
    LG
    Die Toni

  4. la23ng Freitag, 30. August 2013 um 13:19 Uhr [Link]

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  5. Anke Freitag, 30. August 2013 um 13:22 Uhr [Link]

    Schöner Text, danke.

  6. Jenny Freitag, 30. August 2013 um 13:22 Uhr [Link]

    Ja.

  7. giardino Freitag, 30. August 2013 um 13:33 Uhr [Link]

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  8. Anja Freitag, 30. August 2013 um 13:51 Uhr [Link]

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  9. casino Freitag, 30. August 2013 um 14:09 Uhr [Link]

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  10. caterina Freitag, 30. August 2013 um 14:14 Uhr [Link]

    Schöne Worte
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  11. Pi Freitag, 30. August 2013 um 14:24 Uhr [Link]

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  12. creezy Freitag, 30. August 2013 um 14:33 Uhr [Link]

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  13. Monika Freitag, 30. August 2013 um 14:50 Uhr [Link]

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  14. kaltmamsell Freitag, 30. August 2013 um 14:55 Uhr [Link]

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  15. adelhaid Freitag, 30. August 2013 um 14:57 Uhr [Link]

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  16. Joachim Göb Freitag, 30. August 2013 um 16:08 Uhr [Link]

    Schöner Text, Isabel. – Und ich denke, das hat fast jeder gedacht, beim Blogende: Almut Klotz und Wolfgang Herrndorf sitzen im selben Lada to Heaven.

  17. Kat Freitag, 30. August 2013 um 16:11 Uhr [Link]

    Seufz.

  18. . | Percanta Freitag, 30. August 2013 um 20:39 Uhr [Link]

    […] Ring. Meine liebe Freundin A. hat  ihn wirklich gekannt, Isa hat ihn auch gekannt, und sie hat hier einen Nachruf geschrieben, auf ihn und auf Almut Klotz. Mein Beileid all seinen […]

  19. percanta Freitag, 30. August 2013 um 20:42 Uhr [Link]

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  20. nickel Freitag, 30. August 2013 um 20:58 Uhr [Link]

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  21. excellensa Freitag, 30. August 2013 um 21:20 Uhr [Link]

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  22. Doris Brockmann Samstag, 31. August 2013 um 09:08 Uhr [Link]

    Beim Bachmannpreis-Wettbewerb 2004 bin ich auf Wolfgang Herrndorf aufmerksam geworden. Für seine schön-gemeine Desillusionierungsgeschichte „Diesseits des Van-Allen-Gürtels“ bekam er den Kelag-Preis. (Als mittelloser bettelnder Kelag-Preisträger taucht er zwei Jahre später im Klagenfurter Porträtvideo von Kathrin Passig wieder auf – das kann man sich noch immer im Archiv auf http://www.bachmannpreis.at anschauen.)
    Als ich erfuhr, dass Wolfgang Herrndorf sich erschossen hat, war ich tagelang von dem Zwang beherrscht, mir alles – das Davor, das Kurz-Davor, das Wie, die unendliche Spanne zwischen Selbstbestimmung und Ausweglosigkeit – genau vorzustellen, auszumalen.
    Ich wollte ihm etwas „nachrufen“, fand aber nicht eine angemessene Form, passende Worte. Die hat er selbst gefunden. Ich habe sie am Ende eben dieser schön-gemeinen Desillusionierungsgeschichte entdeckt, die mich mit ihm bekannt gemacht hat. Der Kreis hat sich geschlossen.
    (Der Textauszug ist als Blogeintrag auf meiner Homepage eingestellt.)

  23. Maximilian Buddenbohm Sonntag, 1. September 2013 um 19:50 Uhr [Link]

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  24. Modeste Montag, 2. September 2013 um 20:52 Uhr [Link]

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  25. bov Montag, 2. September 2013 um 23:34 Uhr [Link]

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  26. Ishtar Mittwoch, 4. September 2013 um 09:52 Uhr [Link]

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  27. Paula Mittwoch, 4. September 2013 um 11:00 Uhr [Link]

    Oh, das wusste ich noch gar nicht, weil ich mich zuletzt nicht mehr gertraut habe, seinen Blog zu lesen. Jetzt hat er es tatsächlich getan, bei vollem Bewusstsein, das nötigt mir Respekt ab. Mein Beileid seinen Eltern, die ihr Kind vor der Zeit verloren haben. Und tolle Freunde hatte er wiklich. Gut dass dieses furchtbare Dahinsterben endlich vorbei ist.

  28. Rebekka. Dienstag, 1. Oktober 2013 um 17:00 Uhr [Link]

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  29. Bernhard Strasser Mittwoch, 7. September 2016 um 10:37 Uhr [Link]

    Wolfgang Herrndorfs Gesamtwerk zieht mir bis heute wie nichts anderes den Stecker. Leider bin ich ein Landeiautor und nie in das Vergnügen gekommen, die Berliner Autorenszene kennenzulernen. Deshalb musste ich mir die im Blog beschriebenen besten Freunde alle ergoogeln. War sehr überrascht, dass fast alle bekannte Kulturschaffende sind. Taucht eine Isabel eigentlich auch auf? Muss Arbeit und Struktur nochmal lesen!

  30. Isabel Bogdan Mittwoch, 7. September 2016 um 18:42 Uhr [Link]

    Nein, ich gehöre nicht dazu, kenne die meisten aber flüchtig. Und finde es, ehrlich gesagt, ein bisschen übergriffig, die Leute alle mit vollem Namen zu nennen, wenn Wolfgang Herrndorf das (womöglich aus Gründen) nicht getan hat.

  31. Bernhard STraßer Mittwoch, 7. September 2016 um 19:37 Uhr [Link]

    Danke für den Hinweis! Habe die Recherche wieder vom Netz genommen. Da bin ich wohl zu enthusiastisch an die Sache ran gegangen. Aber interessant ist es dennoch, wie viele bekannte Namen sich hinter den vielen Kürzeln verstecken.
    Viel Erfolg mit Ihrem Buch!

  32. Marek Hahn Montag, 19. September 2016 um 11:19 Uhr [Link]

    Schöner Text, Danke Isa

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