Film: Das erstaunliche Leben des Walter Mitty
Isses denn zu fassen? Ich war im Kino! Und es kommt noch doller: Mit dem Herrn Buddenbohm! Der, falls das jemand nicht weiß, ebenso oft ins Kino geht wie ich, also im Schnitt vielleicht alle zwei-drei Jahre mal. Und jetzt waren wir zusammen im Kino, und das noch nicht mal, weil wir den Film so dringend sehen wollten, sondern weil wir mal zusammen ins Kino wollten. Und so waren wir im Passage-Kino und haben „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ gesehen. Das Passage mag ich sehr gern – klingt super, oder? So profimäßig, als würde ich die Hamburger Kinos kennen? Ha. Im Passage war ich tatsächlich schon mal, es hat güldene Tapeten, sehr toll. Und eine sehr breite Leinwand in dem Saal, in dem wir saßen, und wir saßen in der dritten Reihe. Das machen wir nächstes Mal professioneller, weiter hinten sitzt man sicher besser. So weit vorne wird einem bei schnelleren Kamerafahrten ganz schwindelig.
In dem Film geht es gar nicht um ein erstaunliches Leben, sondern eigentlich nur um ein paar Tage im Leben des Walter Mitty (Ben Stiller). Walter arbeitet im Negativ-Archiv der Zeitschrift LIFE. Da sitzt er in seinem Archiv, arbeitet friedlich vor sich hin und ist in seine Kollegin Cheryl (Kristen Wiig) verliebt. Ansonsten sorgt er dafür, dass die Bilder des berühmten Fotografen Sean O’Connell auf die Titelseite kommen. Sean ist ebenso menschen- wie technikscheu, man erreicht ihn nie. Und nun passiert zweierlei: Das Magazin wird verkauft, irgendwelche Arschlöcher fangen an, Leute rauszuwerfen und beschließen, dass die nächste Ausgabe die letzte sein wird; und Sean schickt eine Rolle Negative und verfügt, dass Bild 25 aufs Cover soll.
Dummerweise ist Bild 25 nicht da. Walter Mitty hat also ein Problem. Normalerweise flüchtet er sich bei Problemen sofort in Tagträume, in denen er ein toller Hecht ist, aber diesmal wird er schlagartig und, ähm, dann doch einigermaßen überraschend – um nicht zu sagen unmotiviert – tatsächlich zum tollen Hecht. Er rast dem Fotografen hinterher, hat nur ein paar Anhaltspunkte, wo der sich aufhalten könnte, und dann geht so etwas wie „Forrest Gump“ oder „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ los: [Achtung, ab hier verrate ich ein bisschen was. Nicht allzu viel, aber doch. Wer möglichst wenig wissen will, kann ein Stück überspringen …] Ab nach Grönland, mit einem stockbesoffenen Hubschrauberpiloten auf ein Schiff, damit weiter nach Island, immer um Sekunden zu spät. Und dann wird es immer wilder.
Kann man ja machen. Aber irgendwie … schon die Tagträume waren nicht mein Fall, und beim Immer-wilder-werden kommen dann plötzlich Plot-Schwächen: ja, ich weiß, dass es eben ausartet. Aber wieso hat er plötzlich seine Jacke zurück, und zwar zerfetzt, die war doch auf dem Schiff geblieben? Wie kommt der Fotograf so schnell von Island nach Afghanistan, und warum? Wieso muss Walter zwischendurch nach Hause, und wieso muss er dann mit den Sherpas lange durch den tiefen Schnee, und dann noch scheinbar ewig lang allein weiter durch den Schnee, um dann ganz zufällig und überraschend … also nee. Und dann spielen in Rufweite plötzlich ein paar Leute Fußball, ganz ohne Schnee. Sowas nervt mich dann doch.
[… und hier weiterlesen.] Die Figuren bleiben auch irgendwie flach. Bechdeltest kann man eh vergessen; es gibt drei Frauenrollen, die Kollegin Cheryl, außerdem Walters Mutter und Schwester. Die beiden letzteren reden vielleicht auch mal miteinander, aber insgesamt sind eigentlich alle Rollen außer Walter Staffage, und die Männer noch klischeehafter gezeichnet als die Frauen: das gegelte Arschloch, der schmierige Schleimer, das weichliche Dickerchen, der dauervergnügte Onlinedating-Fuzzi, der eigenbrötlerische Fotograf, der besoffene Grönländer. Abziehbilder allesamt.
Andererseits: Es gibt ein paar wirklich gute Lacher („Kuschel dich an mich und stirb.“), und ein paar sehr, sehr schöne Bilder. Dochdoch. Dass mich doch so einiges nicht überzeugt hat, merke ich jetzt hinterher beim Schreiben erst so richtig; solange wir im Kino saßen, habe ich mich gut unterhalten gefühlt und über die Plotschwächen hinweggesehen (außer darüber, dass es von Anfang an so offensichtlich ist, wo das Bild ist. Mannmannmann). Also gut, „Walter Mitty“ ist okaye Unterhaltung. Muss man nicht dringend gesehen haben, aber man braucht sich auch nicht drüber zu ärgern.
PS: Was am Kino echt nervt: Der omnipräsente Gestank von Popcorn.
Ansonsten fand ich, man könnte öfter mal ins Kino gehen.
Markus Mittwoch, 15. Januar 2014 um 01:49 Uhr [Link]
Dass ihr so wenig ins Kino geht, verstehe ich als Kinoliebhaber ja irgendwie gar nicht. Aber um so schöner, dass ihr das heute zusammen geschafft habt (abends ins Kino bedeutet ja praktisch Nachtschicht für den passionierten Frühaufsteher). Das erstaunliche Leben der Isabel Bogdan und des Maximilian Buddenbohm. Die Vorliebe fürs Passage Kino in Hamburg teile ich, den Film kenne ich nicht (und werde ihn wohl auch nicht sehen). Aber danke für den wunderbaren Bericht.
Das erstaunliche Leben des Walter Mitty | Herzdamengeschichten Mittwoch, 15. Januar 2014 um 06:49 Uhr [Link]
[…] gehen, die nachts länger aufbleiben als man selbst, dann wacht man auf und die Dame hat schon einen Text geschrieben, dem man fast nichts mehr hinzufügen muss. Toll! Alles richtig, was da zum Film steht, genau […]
frau noergeli Mittwoch, 15. Januar 2014 um 07:53 Uhr [Link]
Ich war zwischen den Jahren in HH und da waren wir da:
http://www.magazinfilmkunst.de/
Kino mit Gschichte, sehr cool und da laufen dann auch die wirklich sehenswerten Filme und nicht so ein Oberflächlicher Hollywood sch****.
Zahnwart Mittwoch, 15. Januar 2014 um 08:04 Uhr [Link]
Im Magazin? *kicher*
Miriam Mittwoch, 15. Januar 2014 um 08:54 Uhr [Link]
Stimmt, Frau Noergeli. Im Magazin läuft derzeit der „Medicus“ und das ist ja wahrlich kein oberflächlicher Hollywoodschinken. Nein, nein.
Ansonsten: Ich hab mich bei Walter Mitty ganz gut unterhalten gefühlt. Die Landschaftsbilder waren wunderbar und über die ein oder andere Schwäche im Plot sehe ich dann auch mal gnädig hinweg, wenn ich hinterher beschwingt aus dem Kino komme. Liegt vielleicht aber auch daran, dass ich anders als bei Büchern, bei auf Unterhaltung getrimmten Filmen hinterher nicht weiter drüber nachdenke. Mein Kopf funktioniert in der Rezeption da einfach anders. Theater hat es da z. B. viel schwerer mich zu begeistern und zu überraschen, weil mein Gehrin dauernd arbeitet und Regieideen abgleicht. Vielleicht sollten wir mal zusammen ins Theater?
holber Mittwoch, 15. Januar 2014 um 10:14 Uhr [Link]
Was Sie als Plotschwäche bezeichnen ist eigentlich die Stärke des Films. Walter fängt an seine Tagträume zu leben und sein Alltag un seine Beziehung werden dadurch umgekrempelt. Es ist eigentlich ein Märchenfilm.
Isabel Bogdan Mittwoch, 15. Januar 2014 um 10:22 Uhr [Link]
Ja, das habe ich schon verstanden. Das meine ich aber nicht mit „Plotschwäche“. Sondern eben das mit seinen Klamotten, die plötzlich wieder da sind, mit den fußballspielenden Leuten, die im Gegensatz zu Walter und Sean offenbar nicht stundenlang allein durch den Schnee mussten und sowas. Die Grundidee vom Tagträumeleben habe ich schon verstanden.
Und falls seine Verliebtheit der Anlass dafür sein sollte, dass er plötzlich anfängt, seine Tagträume zu leben – das kommt irgendwie nicht so richtig rüber.
Ja, Miriam, fand ich auch. Ich habe mich auch gut unterhalten gefühlt, und vieles fiel mir erst beim Schreiben auf. Und es geht mir auch genauso: von einem Film erwarte ich nicht so viel wie von einem Buch. Und die Landschaftsaufnahmen sind wirklich großartig.
Überhaupt habe ich mal wieder gedacht, man sollte öfter ins Kino gehen.
jubil Mittwoch, 15. Januar 2014 um 10:42 Uhr [Link]
Von Filmen mit Ben Stiller sollte man eh nicht so viel erwarten. Außer viel Slapstick…
Weißt du, in welchen Film ich gern mit dir gehen würde? American Hustle. Einfach nur, weil ich den gern sehen möchte – und dann hinterher gern wüsste, was du darüber schreibst. :)
kid37 Donnerstag, 16. Januar 2014 um 10:57 Uhr [Link]
Mit dem lustigen Mann müßten Sie doch eigentlich in „Inside Llewyn Davis“. Läuft auch schön im 3001 (OmU). Ansonsten halte ich nichts vom Vergleich unterschiedlicher Kunstformen. Film, Theater, Bücher, Malerei. Die erzählen alle auf unterschiedliche Weise, gut oder schlecht. Ich z.B. erwarte von Filmen viel mehr als von einem Buch ;-) Also etwas anderes. (Von Ben Stiller allerdings erwarte ich nix ;-))
Film: Ewige Jugend Mittwoch, 9. Dezember 2015 um 13:04 Uhr [Link]
[…] ich, wir nehmen uns ja gelegentlich vor, mehr Filme zu gucken. Oder sogar mal ins Kino zu gehen. Einmal haben wir es schon geschafft; seitdem sind noch nicht mal ganz zwei Jahre vergangen, und zack! […]