Amos Oz

Einmal habe ich ihn am Geräteschuppen aufgehalten. Habe gefragt, was er liest.
Boas zuckte die Achseln und antwortete widerstrebend, „’n Buch. Warum?“
Ich wollte wissen, welches Buch.
„Sprachbuch.“
Das heißt?
„Grammatik für Mund und Ohr. Dass mit der Rechtschreibung und all dem mal Schluss ist.“
Kann man ein „Sprachbuch“ lesen, als sei es Unterhaltungslektüre zum Zeitvertreib?
„Worte und das“, er schenkt mir sein bedächtiges Lächeln, „das ist wie Menschen kennen. Woher sie stammen. Wer mit wem verwandt ist. Wie jeder sich in allen möglichen Situationen verhält. Und außerdem“ (er zögert, schickt die rechte Hand auf eine lange Reise um seinen riesigen Schädel, um sich damit die linke Schläfe zu kratzen, eine unlogische und doch fast königliche Geste), „und außerdem gibt’s das gar nicht: Zeit vertreiben. Die Zeit vergeht überhaupt nicht.“
Vergeht nicht? Was soll das heißen?
„Was weiß ich? Vielleicht isses umgekehrt. Dass wir in der Zeit weitergehen. Was weiß ich? Oder dass die Zeit die Menschen verbringt.“

Amos Oz: Black Box. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama.

Jetzt ist auch noch Amos Oz gestorben, mit nur 79 Jahren. Ich hatte doch eigentlich gefunden, es sei mal wieder genug gestorben worden. Möge ihm die Erde leicht sein.

4 Kommentare

  1. Jana Heinig Freitag, 28. Dezember 2018 um 18:49 Uhr [Link]

    Möge ihm die Erde leicht sein.
    Danke, @isabo_ DAS ist schön!

  2. Isabel Bogdan Freitag, 28. Dezember 2018 um 18:51 Uhr [Link]

    Ich hielt das für einen jüdischen Trauerwunsch, aber Google sagt, das stimmt gar nicht. Wieder was gelernt.

  3. Jana Heinig Freitag, 28. Dezember 2018 um 19:08 Uhr [Link]

    Ist trotzdem schön!!!

  4. Elvira Freitag, 28. Dezember 2018 um 19:31 Uhr [Link]

    Das sagt man bei uns auf dem Balkan immer: „Möge ihm/ihr die (schwarze) Erde leicht sein!“. Ich finde ja Irisch noch schöner: Zur Rechten Gottes soll seine/ihre Seele sein.

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