Film: 45 Years
Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) sind seit 45 Jahren verheiratet. Kate geht morgens mit dem Hund, dann kommt sie nach Hause, und es gibt Frühstück. Alle Handbewegungen und Beziehungsrituale sind seit Jahrzehnten einstudiert und laufen so wie immer. Wobei immer Kate diejenige ist, die Gespräche anfängt, Kontakt aufnimmt, ihren Mann überhaupt wahrnimmt, während er so vor sich hin eigenbrötlert und einem vorkommt wie unter einer Käseglocke. Immer nur halb anwesend und bei seiner Frau. Auch das ist eingespielt. Eine mittelmäßige Ehe in der Mittelschicht in Mittelengland. Die beiden planen zu ihrem 45. Hochzeitstag ein Fest (weil der 40. aus gesundheitlichen Gründen ins Wasser gefallen ist), bzw. Kate plant, Geoff läuft so mit. Der Film erzählt die Woche vor diesem Fest. Am Dienstag kommt ein Brief aus der Schweiz, dass die Leiche von Geoffs damaliger Freundin Katja gefunden wurde, die vor etwas mehr als 50 Jahren in eine Gletscherspalte gestürzt ist und seitdem dort im Eis liegt. Irgendwann hat Geoff Kate mal davon erzählt, sie wusste es, es war vor ihrer Zeit – aber dennoch. Es beschäftigt sie. Und ihn natürlich auch. Er kramt in seinen Erinnerungen, sie kramt ebenfalls in seinen Erinnerungen, er erzählt ihr nicht alles, sie ihm auch nicht. Niemand schreit, niemand flippt aus, niemand weint, niemand macht dem anderen eine Liebeserklärung, es passiert eigentlich nichts weiter, und dann ist irgendwann Samstag und das große Fest, und dann, ACHTUNG, hier kommt der Superspoiler, der aber gleichzeitig gar keiner ist: dann ist der Film zu Ende. Leider wurde vergessen, ihm einen Schluss zu geben; er hört einfach auf. Hier steht etwas von einer „erschütternden allerletzten Szene, die einen trifft wie ein Schlag“. Charlotte Rampling ist großartig in der Szene, keine Frage. Aber als uns klar wurde, dass der Film zu Ende ist, sahen mein charmanter Begleiter und ich uns an und sagten gleichzeitig: Hä?
Ich verstehe schon, dass das alles Methode hat. Dass die emotionalen Amplituden in einer eingespielten Ehe nicht mehr so hoch sind. Und wenn sie es dann doch mal sind, dass man dann über Dinge, über die man jahrzehntelang geschwiegen hat, trotzdem nicht mehr reden kann. Dass man nach außen hin und auch vor sich selbst den Schein wahrt. Aber man möchte die beiden zwischendurch einfach mal packen und schütteln, vor allem ihn. Und ja, es gibt auch ein paar wirklich große Szenen. Aber für einen Kinofilm reicht mir das nicht. Auch wenn er toll gespielt ist. Ich Banausin.
januarsonne Dienstag, 29. September 2015 um 20:31 Uhr [Link]
Wir, und mindestens die Hälfte der Anwesenden Mitschauenden im Kino, waren genauso ratlos wegen dem Ende. Also dem fehlendm Ende.
Isabel Bogdan Dienstag, 29. September 2015 um 22:02 Uhr [Link]
Ja, das Gefühl hatten wir auch, dass das ganze Kino „hä?“ dachte.
(„Das ganze Kino“ waren in dem Fall ca. 20 Leute auf den 450 Plätzen.)
LiFe Mittwoch, 30. September 2015 um 00:01 Uhr [Link]
Für die, die andere Ideen haben….na ja, wie soll man es erklären….ermutigend. Sie können dabei geschmunzelt haben.
Ruth Mittwoch, 30. September 2015 um 15:01 Uhr [Link]
Habe mir jetzt den Trailer angesehen und bin völlig fertig. Ich schau mir den Film auf jeden Fall an. Mir kommt es auch gerade so vor, als könnte dieser Film gar keinen „richtigen“ Schluss haben. Sollen sie sich scheiden lassen? Oder ihre Liebe neu zelebrieren? Käme mir beides unglaubwürdig vor. Das Leben geht ja meistens einfach so weiter (zum Glück) Vielleicht soll der fehlende Schluss das spiegeln.
Ina Mittwoch, 30. September 2015 um 20:40 Uhr [Link]
Öööööcht? Ich war eben drin und hätte mir kein anderes Ende vorstellen können. Ok, ich wußte nun auch wie es ausgeht, drobsdem. War OmU (das mU irritiert mich aber vermutlich hätt ich zuviel über Wörter gegrübelt die ich nicht verstanden habe, vor Nuscheln oder überhaupt… vielleicht auch nicht). Und ich hätte am liebsten SIE mal geschüttelt, sie gebeten, ihn doch mal ausdenken zu lassen oder ausfühlen… aber anscheinend sind sie eben (im Temperament) genau so miteinander wie sie eben gezeigt wurden und deshalb ging auch nur das Ende weil es eben ihren Alltag doch nur erschüttert hat aber nicht zerstört.
Ich war alleine drin, also nicht nur weil ich von drei Leuten einzeln versetzt worden bin mit (doofen aber) Gründen, nein, ich war die einzige Zuschauerin, kann ich dann fragen ob sie sie Untertitel wegschalten oder sind die fest „eingebrannt“?
Mir hallt er nach, konnte danach nicht mehr mit in die Kneipe gehen. Jetz geht’s wieder.
Frank B. Freitag, 30. Oktober 2015 um 17:53 Uhr [Link]
Hallo, zu Ina´s Kommentar: Untertitel können während einer Vorstellung nicht abgschaltet werden, weil der Server (in grösseren Kinos) häufig in einer anderen Stadt steht (zentrale Abspielverwaltung), in kleineren Kinos wäre dies möglich (allerdings nur bei einem fähigen Filmvorführer, selten heutzutage).
Ina Freitag, 30. Oktober 2015 um 19:33 Uhr [Link]
Spannend! ich finds vom Programm her groß im Bali in Kassel, besonders seitdem sie mittwochs alles im Original zeigen, aber sonst ist es vermutlich eher ein kleineres.
Ich wär vermutlich auch zu feige, zu fragen.
Danke Frank, lieben Gruß
Ina
Richard Samstag, 30. März 2019 um 10:07 Uhr [Link]
Das Ende ist extrem berührend , wie der ganze Film. Ich habe selten eine so feine psychologische Studie gesehen: Er betrügt sie ein Leben lang mit einer anderen Frau – seiner Jugendliebe. Er ist nicht nur 45 Jahre abwesend, sondern glatt woanders. Am Hochzeitstag gelingt ihm die Befreiung, indem alles offenbar wird, sie begreift das Ausmaß des Desasters ihres gemeinsamen Lebens. Ganz großes Kino!
Robert
InaPö Samstag, 30. März 2019 um 18:45 Uhr [Link]
Hast Du das gerade im Kino gesehen, oder im Fernsehen? Dann würd ichs mir in der Mediathek nochmal ansehen.