Goethestein
(Über den Goethestein hinter der Burg Frauenstein bei Wiesbaden)
Der „Goethestein“ beruht auf einem historischen Missverständnis. Schon im Mittelalter lag oben auf dem Hügel hinter der Burg Frauenstein (12. Jahrhundert) ein Findling, dem magische Kräfte zugesprochen wurden; möglicherweise galt der Hügel sogar bereits in heidnischer Zeit als heiliger Ort. Es gibt Berichte von der Heilung schlimmer Krankheiten, von neuer Hoffnung in hoffnungslosen Lebenssituationen, von der Erlösung von Dürreperioden und anderen Katastrophen, die dem Stein zugeschrieben wurden. Angeblich soll schon Karl der Große vor seinem Feldzug gegen Herzog Hunold von Aquitanien hier gewesen sein. Der Findling wurde daher „der gute Stein“ genannt, „der guote Stein“; es gab hier keine Hexen oder bösen Geister, sondern von dem Stein ging stets ausschließlich Gutes aus. Unklar ist, wann, auf welche Weise und wohin der Stein verschwunden ist. Dass er existiert hat, gilt jedoch als gesichert, er ist auf zahlreichen Gemälden abgebildet und wird in verschiedensten historischen Quellen erwähnt.
Mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert verlor der Aberglauben im Volk nach und nach an Bedeutung, und mit ihm auch der Gute Stein. Der Ort oben auf dem Hügel muss den Namen „Guter Stein“ im Volksmund aber behalten haben, auch wenn er auf Karten aus der Zeit nicht verzeichnet ist.
Ende des 19. Jahrhunderts findet sich die erste urkundliche Erwähnung eines „Goethesteins“; vermutlich war der Findling zu dieser Zeit allerdings schon entfernt worden und nur der Ortsname war – mit einer leichten Veränderung – geblieben.
Der Germanist und spätere Nazifunktionär Dr. Johannes Stein setzte sich Ende der zwanziger Jahre dafür ein, an dem Ort, der bekanntermaßen „Goethestein“ hieß, nun endlich auch einen Goethestein zu errichten, zum Gedenken an den großen deutschen Dichter, der stets nach Höherem gestrebt habe. Und so wurde 1930 nach einem Entwurf Johannes Steins der hohe, schmale Tetraeder errichtet, und seitdem mit allerlei Goethezitaten in Verbindung gebracht: „Das ewig Weibliche zieht uns hinan“, „Himmelhochjauchzend“ oder „Warum doch erschallen himmelwärts die Lieder“.
Im Moment untersuchen Historiker und Geologen, ob es sich beim „Goethestein“ im Schlosspark zu Gotha um den Findling handeln könnte, den „guten Stein“, der einst auf dem Hügel hinter dem Frauenstein lag.
[Das ist alles erstunken und erlogen und mein Beitrag zu 63,75.]