Tag 21 – Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast.
Alle nach Damals war es Friedrich. Denn danach wurde die Schullektüre erwachsen, ich aber nicht. Ich war einfach eine Spätentwicklerin und fand alle weiteren Schullektüren unendlich langweilig. Der zerbrochene Krug. Unterm Birnbaum (worum ging es da? Keine Ahnung mehr.). Der Schimmelreiter ging gerade noch. Das wars, glaube ich, in der Mittelstufe. Interessierte mich alles nicht, herrje, ich habe in dem Alter die Burg-Schreckenstein-Bücher meines Bruders gelesen. Und Als Hitler das rosa Kaninchen stahl und solche Sachen.
In der Oberstufe hatte ich Herrn W in Deutsch. Herr W konnte mich ebenso wenig leiden wie ich ihn. Und hätte es die Mittelstufe nicht durch Langeweile schon geschafft, dann hätte spätestens Herr W mir alles Lesen verleidet, einfach weil er so ein ätzender Typ war. Und dieses „Interpretieren“ hatte ich sowieso noch nie beherrscht. Bei Herrn W lasen wir Maria Magdalena von Hebbel, bürgerliches Trauerspiel. Dann Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Die Pest! Und schließlich Kafka, Die Verwandlung und ein paar kürzere Sachen. Die Cholera! Alles unfassbar grauenhaft, langweilig, uninteressant, die reinste Qual. Ob es wirklich an den Büchern lag oder an Herrn W oder schlicht daran, dass bei mir die Tür schon zugegangen war, weiß ich nicht. Aber zu war sie. Und zwar fest. Von diesem Herrn Kafka hört man ja ansonsten nur Gutes, er ist auch so einer, um den ich seit Jahren herumschleiche, aber nun ja. Die Tür ist halt zu. Mal sehen, ob ich sie irgendwann wieder aufkriege.
Nach der 12. Klasse habe ich Deutsch abgewählt. Und ich behaupte, Herr W ist schuld daran, dass ich das Lesen dann erst ziemlich spät wiederentdeckt habe. Erstmal hatte er es mir gründlich versaut.
PS: Sopran hat auch was Blödes gelesen. Hihi.
Susanne Samstag, 30. Oktober 2010 um 13:11 Uhr [Link]
Ich fand Kafka in der Oberstufe mal total klasse, wir haben ihn allerdings auch nie in der Schule gelesen. Da war so eine Geschichte über Leute in der Wüste und eine üble Foltermaschine … abgedreht, fand ich toll damals. Auch „Die Verwandlung“ gefiel mir, aber wahrscheinlich kann man auch jedes tolle Buch kaputtinterpretieren, ich hab das eben nur zum Vergnügen gelesen. Vielleicht ist das der entscheidende Unterschied. Und natürlich der Lehrer, ganz klar. Im Englisch-LK haben wir The Lord of the Flies und Alice im Wunderland gelesen (mein Abithema übrigens!) und die Bücher finde ich trotz intensivster Auseinanderpflückung heute noch genial. Lehrer können so viel kaputt machen – oder eben auch nicht.
Gaga Nielsen Samstag, 30. Oktober 2010 um 13:15 Uhr [Link]
Die erwähnten Pflichtlektüren scheinen explizit in den Lehrplänen verankert gewesen zu sein. Ein langweiliges déjà vu jagt das nächste… Nur die Blum fand ich nicht so tödlich wie das andere, vielleicht weil es zeitgenössischer, nachvollziehbarer war. Und Kafka… du bist der erste Mensch auf der Erde, der es wagt zuzugeben, damit nichts anfangen zu können. Geht mir genauso. Was über ihn und sein Werk geschrieben wird, scheint mir tausendmal interessanter, als das Werk selbst. Vor drei Jahren kam meine Mutter auf die Idee, mir eine Taschenbuchausgabe seiner gesammelten Werke zukommen zu lassen. Als Weihnachtsgeschenk zwischen Äpfeln und Vanillekipferln. Über die Äpfel aus dem Garten hab ich mich am meisten gefreut. Ich war auch willens, mich dem Autor zu nähern und startete mehrere Versuche, bei denen ich über die ersten eineinhalb Seiten verschiedener Werke nicht hinauskam. Es vermochte mich nicht zu interessieren. Vielleicht kennst du das: man versucht sich auf einen Text zu konzentrieren und die Gedanken verselbständigen sich. Plötzlich ertappt man sich dabei, dass man seit geraumen Minuten nur noch die Buchstaben zeilen mit den Augen scannt, ohne den Inhalt zu erfassen. Und dann klappt man das Buch endlich zu und legt es beiseite. Aber nichts gegen Kafka. Wem das etwas gibt. Ich möchte damit nicht zum Ausdruck bringen, er sei ein langweiliger Autor. Schlicht und ergreifend nicht mein Interessensgebiet.
Isabel Bogdan Samstag, 30. Oktober 2010 um 13:18 Uhr [Link]
Huch, Englisch-LK hatte ich auch, total vergessen: da haben wir Macbeth gelesen, das hat mir auch gefallen. Ansonsten kann ich mich da an keine Lektüre erinnern, wir haben nicht mal den Fänger im Roggen gelesen. Und kaum habe ich das getippt, fällt mir natür,ich doch noch was ein: Lady Windermere’s Fan, das mochte ich auch. Und war da nicht noch was von Shaw? Hm.
Isabel Bogdan Samstag, 30. Oktober 2010 um 13:19 Uhr [Link]
Mrs. Warren’s Profession natürlich! Auch gemocht. Na also, ging doch!
Isabel Bogdan Samstag, 30. Oktober 2010 um 13:26 Uhr [Link]
Meine Kafka-Abneigung war wahrscheinlich wirklich eine Abneigung gegen Herrn W. Der arme Kafka kann gar nichts dafür, er hat nur bei mir seitdem keine Chance mehr.
Gaga Nielsen Samstag, 30. Oktober 2010 um 13:36 Uhr [Link]
Jede Menge Kafka bei Gutenberg und zeno. An der Verfügbarkeit kann es also nicht scheitern. Gib ihm doch noch einmal ein Chance. Würde mich interessieren, ob du seinem Werk etwas abgewinnen kannst. Außer respektvolle Achtung meine ich. Man merkt das schon nach ein, zwei Seiten, ob einen der Plot und/oder die Schreibe packt. Die Unlust der nochmaligen Annäherung mit dem Lehrer W. zu rechtfertigen, ist natürlich recht bequem. ;-)
Isabel Bogdan Samstag, 30. Oktober 2010 um 13:51 Uhr [Link]
Steht auch im Regal, wir hatten den Fischer-Sammelband mit den Erzählungen sogar doppelt, meinen haben wir weggeworfen, weil er komplett bemalt und verkritzelt war, wegen der Langeweile im Unterricht. Der Mann hat sich offenbar weniger gelangweilt.
Shelley Samstag, 30. Oktober 2010 um 16:31 Uhr [Link]
Versuch es doch mit Kafkas Prozess– den kannst Du nicht nicht-moegen!
Gabriele Samstag, 30. Oktober 2010 um 23:41 Uhr [Link]
Ich oute mich als (damals) großer Freund und Anhänger dieser weithin verhaßten Schullektüre. Meine Deutschschülerkarriere verlief anders herum als deine: In der Unterstufe war ich eine Niete in Deutsch. Diese Beschreibungen und Schilderungen … ein Graus. Regelmäßig hielten es meine Deutschlehrerinnen für nötig, mir wegen Themaverfehlung schlechte Noten aufzutischen. Ich war jedesmal am Boden zerstört und stand der Kritik völlig rat- und hilflos gegenüber, hatte ich doch alles genau so beschrieben, wie ich es gesehen hatte. Frau S. und Frau P. haben mir das kreative Schreiben jedenfalls für alle Zeiten ausgetrieben. Gründlich. Doch als es in der Mittelstufe dann an die Interpretation ging, schlug meine Stunde. Eine ganz große Stunde. Der ganzen Schule wurden meine Werke als leuchtendes Beispiel vorgehalten und mein Ego blühte zum ersten (und letzten) Mal in stolzer Farbenpracht auf. Der Deutschleistungskurs verlief dann nicht mehr so glänzend, weil ich meiner Deutschlehrerin mit der typischen, alle Grenzen ignorierenden Arroganz der Achtzehnjährigen gerne vorführte, daß ich die deutsche Literatur von Grimmelshausen bis Musil besser kannte und verstand als sie, wofür sie sich bei jeder Gelegenheit mit schlechten Noten revanchierte.
Ach herrje, ist das lange her und habe ich lange nicht mehr daran gedacht. Danke fürs Hochrühren dieses Bodensatzes.
apanat Samstag, 13. November 2010 um 00:15 Uhr [Link]
Von Kafka empfehle ich:
„„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du mußt nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.“
Und wenn’s unbedingt nötig ist, auch den Wikipediaeintrag dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kleine_Fabel
Isabel Bogdan Samstag, 13. November 2010 um 01:17 Uhr [Link]
Ächz, ja, schrecklich. Entschuldigung, ich weiß, dass das jetzt Blasphemie ist, aber das ist doch ein Kalenderspruch für den Pessimistenkalender. Kann ich beim besten Willen nichts mit anfangen.
Jannis Samstag, 13. November 2010 um 15:00 Uhr [Link]
„Meinen Deutschlehrer Herrn H. fand ich doof, ich kann argumentieren und „beweisen“, dass er kein guter Deutschlehrer, überhaupt kein guter Pädagoge war. Letzteres dokumentierte sich beispielsweise darin, dass er immer die gleichen Jungs aus der Siebten zum Nachsitzen ausgerechnet zu den Zwölfern in Darstellende Geometrie bestellte, was dann zu einem Event wurde und den Strafcharakter gänzlich verlor. Jeden Donnerstagvormittag machten die Jungs nun Blödsinn, um Donnerstagnachmittags in Geometrie gemeinsames Spiel mit den Zwölfern beim Ärgern ihres Lehrers zu machen, was nicht nur daran lag, dass die Jüngeren den Älteren Chips und Süßigkeiten zum Knabbern mitbrachten. Ersteres zeigte sich mir darin, dass er merkwürdige Kommentare bei meinen Interpretationen anbrachte, nach dem Motto „Ich glaube nicht, dass der Autor das gemeint hatte“, als wüsste Herr H. was der Autor oder der Text an sich gemeint hatte, als hätte Herr H. die Rechte der Deutungshoheit, und als müsste er nicht vor allem meine Argumentation und wie ich formuliert habe korrigieren. Doch eine Sache nahm ich aus diesen Schuljahren bei ihm mit: das Lesen! Wobei ich im Nachhinein überlege, ob ich ihm diesen Erfolg, mich zum Lesen gebracht zu haben, anrechnen kann, oder nicht doch eher den Büchern oder den Autoren selbst. Schließlich war es die Kraft des Romans „Das Feuerschiff“ von Siegfried Lenz, das mich zuerst noch langweilte, dann immer mehr in den Bann zog, so dass ich es nicht mehr weglegen konnte. Doch nach dem Lesen war dieser Zauber nicht vorbei, nein, er wurde verlängert durch die stetige Beschäftigung mit dem Buch im Deutschunterricht. Plötzlich überkam mich das Gefühl, wie großartig Sprache ist, was sie alles kann, ohne dass es einem oft bewusst wird. Und dass der Autor oder die Autorin eine große Macht hat, die Macht nämlich, uns in eine Geschichte hineinzuziehen, sich einen spannenden Plot zu überlegen, Figuren Worte in den Mund zu legen, ihren Charakter zu zeichnen, ja, sie sogar leben zu lassen.“
mehr dazu im Blog :-)