Aus Versehen Sachen machen

Vorgestern wollten Frau Xu und ich eventuell ins Nanjing-Museum. Das ist eines der berühmtesten Museen Chinas, und ich war noch nicht drin. Am Abend vorher schreibt sie mir eine SMS, ob ich ihr bitte schnell meine Passnummer schicken könne. Wofür sie die denn braucht, frage ich: für das Museum. Da muss man im Internet Tickets vorbestellen, und dafür braucht man die Passnummer. Himmel, denke ich, damit der Staat nur ja jederzeit weiß, wo man ist? Um eine Zugfahrkarte zu kaufen, braucht man die Passnummer ebenfalls. Sie bestellt also Tickets vor, wir gehen dann aber gar nicht ins Museum, sondern in den Präsidentenpalast, weil so schönes Wetter ist, denn da kann man mehr draußen herumlaufen.
Also will ich dann heute allein ins Museum. Ohne eine Karte vorzubestellen, denn ich gehe einfach davon aus, dass man an einem Wochentag Vormittag auch sicher einfach am Eingang Karten kaufen kann.
Das Museumsgelände ist riesig und hat einen hohen Zaun drumherum. Auf dem Gelände sind nur vereinzelt ein paar Leute zu sehen. Ich gehe am Zaun entlang (in die falsche Richtung), weiter und weiter, immer weiter am Zaun entlang, bis ich endlich an ein offenes Tor komme. Ein Auto fährt hinein, ein paar Arbeiter sind mit irgendetwas beschäftigt, Fußgänger sind hier außer mir keine, aber da steht ein Schild, dass es zu sämtlichen Ausstellungen usw. nach links geht. Ich gehe nach links, eine Art Einfahrt entlang, und stehe plötzlich auf dem großen Platz zwischen den Museumsgebäuden. Von wo aus ich ungehinderten Zugang zu allen Museumsgebäuden und Ausstellungen habe. Ohne Eintritt gezahlt zu haben, ohne Ticket, ohne Passnummer (außer dass sie die schon von gestern haben, wo ich gar nicht da war).

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Ich sehe mir einige Tuschezeichnungen und Kalligrafien an, überspringe die Ausstellung über Edinburgh, gehe in den Shop und kaufe ein Souvenir … und traue mich dann nicht in weitere Bereiche, weil ich plötzlich denke, gleich wirste erwischt. Bestimmt wirst du gleich am Eingang zur nächsten Ausstellung nach deinem Ticket gefragt. Du solltest lieber zusehen, dass du hier rauskommst, bevor sie dich erwischen, du hast dich unrechtmäßig eingeschlichen, hoffentlich fragen sie am Ausgang nicht nach dem Ticket. Nicht, dass ich glaube, ich würde gleich im Gefängnis landen, aber mir ist irgendwie unwohl dabei, so hintenrum ins Museum gelangt zu sein. Wobei mich allerdings auch niemand aufgehalten oder auch nur komisch angeguckt hat. Ich wollte das gar nicht, ehrlich! Ich bin einfach nur durch die erstbeste offene Tür hineinmarschiert.
Um jetzt durch den Hauptausgang ebenso schnurstracks wieder rauszumarschieren, ohne sonderlich viel vom Museum gesehen zu haben. Natürlich will am Ausgang niemand mein Ticket sehen. Vielleicht bin ich auch einfach schon ein bisschen besichtigungssatt. In den letzten Tagen bin ich so viel herumgelaufen und habe mir so viel angesehen, dass es jetzt eigentlich erstmal reicht.
Stattdessen gehe ich lieber essen, rein zufällig kenne ich mich ja in dieser Stadt hervorragend aus und weiß, wo es hier in der Nähe tolles Essen gibt. Ich esse diese Teigtaschen, deren Namen ich immer vergesse, die süße Suppe mit den Blüten und dieses Gemüse. Diesmal habe ich mir den Namen gemerkt, es handelt sich um Artemisia Selengensis. Wisster Bescheid.

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Danach die letzte Unisitzung. Ich habe die Studierenden etwas schreiben lassen, es sind total tolle Texte dabei herausgekommen, ich war sehr beeindruckt. Und dann habe ich auch noch Abschiedsgeschenke bekommen, ein Seidentuch und ein Buch über die Uni Nanjing. Morgen ist mein letzter Tag hier, kaum zu glauben. Das ging jetzt irgendwie ganz schön schnell, eigentlich habe ich mich gerade schön eingewöht. Zum Abschied nimmt Prof. Yin mich noch mit auf einen Berg und ich sehe Nanjing noch einmal fast smogfrei im Dunkeln von oben. Tschüss, Nanjing, es war toll!

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(Morgen habe ich noch was vor, was hoffentlich auch toll wird. Freitag Rückflug. Keine Ahnung, ob ich morgen noch zum Bloggen komme; schätze, eher nicht.)

9 Kommentare

  1. percanta Mittwoch, 27. November 2013 um 18:40 Uhr [Link]

    Wie, schon Schluss? Aber wolltest Du nicht bis fast Ende November bleiben…?

  2. Jamie Mittwoch, 27. November 2013 um 18:45 Uhr [Link]

    Wieso, Freitag IST doch schon „fast Ende November“! ;)

    (ja, ich hab auch das Gefühl, dass sie letzte Woche erst losgeflogen ist)

    • percanta Mittwoch, 27. November 2013 um 23:41 Uhr [Link]

      *Ach*

  3. zeiserl Mittwoch, 27. November 2013 um 21:03 Uhr [Link]

    Boah, das Nanjing-Bild ist aber schön. Und sind die Teigtaschen nicht Jiaozi? In der Pfanne angebraten? Die gehen fei erstaunlich leicht selbst zu machen, vor allem in einer größeren Runde Freunde. Projekt für daheim!

  4. Mell Mittwoch, 27. November 2013 um 21:09 Uhr [Link]

    Och schade, schon vorbei?

  5. MonikaZH Mittwoch, 27. November 2013 um 21:29 Uhr [Link]

    Das ging jetzt aber verdammt schnell. Wir hatten doch irgendwie erst letzte Woche darüber gesprochen dass Du demnächst für 4 Wochen nach China reist…. – und jetzt sind die schon rum? Zeitmaschine?

  6. s Donnerstag, 28. November 2013 um 13:12 Uhr [Link]

    als ich 2009/10 in china war, war praktisch in allen museen (kunstmuseen/meishuguan und provinzmuseen) freier eintritt. bei sehenswürdigkeiten (türme, tempel, natur,…) durfte man sich zwar teilweise krumm und dusselig zahlen, aber museen waren frei…

    (und damals konnte man sich zugtickets auch einfach noch so ohne irgendwas kaufen. aber hab schon gehört, dass sich das geändert hat… und ist nicht wegen der kontrolle, sondern um den illegalen handel mit tickets einzudämmen… )

  7. s Donnerstag, 28. November 2013 um 13:14 Uhr [Link]

    @zeiserl
    angebratene jiaozi sind keine jiaozi, sondern guotie („topfkleber“ *glaub*) – aber ich denk, es gibt da auch nochmal extra regionale sprachunterschiede

  8. zeiserl Freitag, 29. November 2013 um 09:23 Uhr [Link]

    @s, genau, stimmt, so heißen die angebraten. Ist aber das gleiche drin. Hier haben große Erwachsenen- und Kinderhorden die gedämpften für leckerer befunden.

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