Helgoland, Tag 4

Wetter: grau. Erstmal. Also wie gehabt, erstmal Arbeitsbett. Hey, wir sind ja nicht zum Spaß hier. Ich schaffe ein bisschen was, während die Reisebegleitung immer aufgeregter wird, denn ihre Liebste ist im Anmarsch. Also, im Anschwimm.
Ich ziehe mich erstmal zurück und lasse das junge Glück allein. Dann gehen wir zusammen dort vorbei, wo die Inselrundfahrt mit dem Börteboot abfahren würde, wenn sie denn jemals stattfände, und weil sie niemals nicht stattfindet, diese Inselrundfahrt, gehen wir stattdessen Knieperbrötchen essen und drehen eine große Runde ums Oberland. Die Insel zeigt, was sie kann, immerhin ist die Liebste zum ersten Mal hier, und Helgoland macht Wind, und zwar so richtig, so zum Reinlegen, und fast schwarze Wolken und dann plötzlich blauen Himmel, und dann ganz doll blauen Himmel, und die Basstölpel zeigen ihre elegantesten und spektakulärsten Flugmanöver, und das ist mal wieder alles so toll, dass ich eigentlich ein bisschen hoffe, dass der Wind wirklich doll genug ist, um draußen auf dem Meer bis morgen früh noch mehr Wellen zu machen, sodass der Katamaran nicht fährt und ich nicht morgen zurückfahren kann, sondern leiderleider noch einen Tag länger auf der Insel bleiben muss.
Und dann bin ich wieder im Hotel und rufe den Mann an, und er sagt „ach, ist das schön“, und ich frage „was?“ und er: „dass Du anrufst“, und schon weiß ich nicht mehr, ob ich lieber noch einen Tag bleiben oder nach Hause will. Das, liebe Kinder, sind wirklich knallharte Luxusprobleme, sich nicht zwischen zwei Glücken entscheiden zu können.
Morgen also noch gut einen halben Tag. Die mittelgroßen Sachen, die ich hier schaffen wollte, habe ich geschafft. Die etwas kleinere Sache nicht, aber vielleicht schaffe ich die ja morgen noch. Wobei – wenn das Wetter auch nur einigermaßen ist, und es sah heute Abend alles danach aus, dann fahren wir morgen nach dem Frühstück nochmal auf die Düne. Robben gucken und im Dünenrestaurant versacken. Das geht dann natürlich vor. Überhaupt geht das sowieso vor, egal bei welchem Wetter. Man muss ja auch Prioritäten setzen. Und zu Hause ist es auch schön, und da ist auch ein Schreibtisch und ein Arbeitsbett, aber keine Düne und keine Robben und kein Meer.

3 Kommentare

  1. Zahnwart Samstag, 29. September 2012 um 01:02 Uhr [Link]

    Bei der Stelle, an der die Liebste „im Anschwimm“ ist, hatte ich kurz das Bild vor Augen, dass die Liebste eine Robbe sei, die da durch die Nordsee gleitet. Fand ich erst unheimlich süß, dann dachte ich mir, dass ich weniger Wein trinken sollte und dann, dass es langsam ohnehin Zeit zum Schlafen ist.

  2. Isabel Bogdan Samstag, 29. September 2012 um 01:15 Uhr [Link]

    Die Liebste der Reisebegleitung ist natürlich in der Tat unheimlich süß, aber ganz profan mit dem Katamaran angeschwommen.

  3. Uschi aus Aachen Samstag, 29. September 2012 um 19:57 Uhr [Link]

    „Das, liebe Kinder, sind wirklich knallharte Luxusprobleme, sich nicht zwischen zwei Glücken entscheiden zu können.“ Von den Kindern mal abgesehen: was für ein Satz – wunderbar!

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