Angelika Klüssendorf: Das Mädchen

Puh. Kein schönes Buch. Der erste Satz lautet: „Scheiße fliegt durch die Luft“, und das ist sozusagen programmatisch. Der Vater des namenlosen Mädchens ist entweder nicht da oder besoffen, die Mutter ist meistens da und ebenfalls besoffen. Sie ist jähzornig, asozial und kaputt und „bestraft“ das Mädchen und seinen kleinen Bruder dauernd für Nichts, sie prügelt und schikaniert – und ist dann wieder grundlos gut gelaunt. Das Mädchen ist zwölf, muss für sich und den kleinen Bruder sorgen und ist gleichzeitig natürlich noch sehr kindlich. Sie stiehlt, läuft weg, wird erwischt, schläft in Gartenlauben, schwänzt die Schule, wird aufgegriffen, und hat dann immer wieder wechselnde Bezugspersonen, die ihr ein bisschen Halt geben, ihr etwas bedeuten, die aber auch genauso plötzlich wieder verschwinden. Nichts ist von Dauer, auf nichts kann sie sich verlassen. Und irgendwann steckt das Jugendamt sie ins Heim, wo es ein bisschen besser wird, aber eben nur ein bisschen.
Es gibt nicht wirklich eine Story im Sinne eines Spannungsbogens mit einem entscheidenden Wendepunkt oder sowas, es ist eher ein Portrait, die Beschreibung einer Jugend. Immer wieder möchte man das Buch beiseitelegen, weil es so hart ist und so furchtbar – und dann gibt es diese schönen Momente, wo es beispielsweise heißt, die Freude sei in ihrem Leben so wichtig, oder wo sie einfach mal glücklich ist. Deswegen, und weil die Sprache so wunderbar lakonisch und reduziert ist, liest man dann doch immer weiter bis nachts um zwei. Sehr gutes, hartes Buch über eine beschissene Kindheit. Liest sich extrem gut, aber man ist dann auch froh, dass es nicht länger ist. Trotzdem, oder gerade deswegen: lesen!

Angelika Klüssendorf bekommt einen Regalplatz zwischen Alexander Kluge und Harriet Köhler.

Angelika Klüssendorf: Das Mädchen. Kiepenheuer und Witsch, 182 Seiten. 18,99 €
Taschenbuch: 8,99 €
E-Book: 8,99 €
Hörbuch: 19,99 €

Wolfgang Blau,

Chefredakteur von ZEIT Online, spricht vor der Enquetekommission Internet und Digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages über Zustand und Zukunft des Internet. Sehr sachlich, sehr unaufgeregt, sehr klug. Anhören! Und den Eltern vorspielen!

Helgoline

Nach Helgoland fährt man in der Sommersaison am schnellsten mit dem Katamaran der Firma Helgoline. Der hat zwar innen ungefähr den Charme eines ICEs, ist aber schnell und komfortabel.
Wir hatten für die Bloggerreise Gruppentickets gebucht. Eine Mitfahrerin musste dann leider zwei oder drei Tage vorher absagen. Sie hat bei der Helgoline angerufen – eigentlich zu spät für eine Rückerstattung – und hat ausgemacht, dass ich am Abfahrtstag die Karte zurückbringe und sie das Geld dann überwiesen bekommt. Supernett, superunkompliziert, superkulant.
Ein weiterer Teilnehmer sagte erst am Tag vor der Abfahrt ab. Dessen Ticket habe ich dann ebenfalls vorgelegt und nachgefragt, ob da noch was geht. Eigentlich nicht, hieß es. Ist ja auch vollkommen logisch und überall so; wenn man erst unmittelbar vor der Abfahrt sagt, dass man nicht mitfährt, dann können sie es nicht mehr erstatten. Man nennt das „eine Stornogebühr von 100 %“. Aber, sagte die nette Dame, sie würde mal nachfragen. Sie fragte nach, und dann habe ich einen Gutschein bekommen. Über den kompletten Betrag.
Das, liebe andere Unternehmen, nenne ich kulantes und kundenfreundliches Verhalten. Das ist geradezu sensationell und überhaupt nicht selbstverständlich. Der finanzielle Verlust dürfte für die Helgoline zu verkraften sein, und für die Kundenzufriedenheit haben sie echt was getan. Vielen Dank!

[Initiative für mehr Lob! Es wird zu viel geschimpft. Ich hoffe, es ist jetzt nicht blöd, dass ich das geschrieben habe: man kann ja bestimmt nicht davon ausgehen, dass jetzt jeder immer das Geld zurückbekommt.]

Kleine Sachen machen

Beim Dämmerungsspaziergang um die Alster einfach zwei Slackliner angesprochen, ob ich mal versuchen darf. Erstaunlich schwierig, ich bin nicht besonders weit gekommen. Macht aber Spaß, und man braucht sämtliche Muskeln, die man so hat, weil man dauernd das Gewackel ausgleichen und die Spannung halten muss. Beim nächsten Mal frage ich wieder. Ich bitte um besondere Beachtung meiner eleganten Fingerhaltung auf dem zweiten Bild.

Best Exotic Marigold Hotel

Jawoll! Ich war im Kino. Dabei war ich schon letztes Jahr zweimal!
Jetzt also: Best Exotic Marigold Hotel. Das empfahl mir nachmittags eine Freundin am Telefon, abends sind wir gleich spontan hingegangen. Die Geschichte: ein runtergerocktes Hotel in Indien lockt alte Engländer damit, den Herbst ihres Lebens dort zu verbringen. Der hochmotivierte und etwas chaotische junge Hotelier will dem Haus wieder zu altem Glanz verhelfen. Sieben alte Engländer, unter anderem Bill Nighy und Judi Dench, reisen also an und richten sich in dem sehr fremden Land irgendwie ein. Und natürlich läuft alles ein bisschen anders als erwartet.

Ich dachte, das ist bestimmt schön leichte Unterhaltung, ein bisschen bunt, ein bisschen exotisch, bestimmt ein bisschen traurig und ein bisschen lustig. Tatsächlich fand ich es dann leider viel zu dick aufgetragen, was das „Bunte“ betrifft: ja, wir haben verstanden, dass Indien bunt und laut und voll und quirlig ist. Dafür hätten wir nicht hundert lautstarke und schnelle Kamerafahrten aus dem fahrenden Auto raus gebraucht, das ist anstrengend. Und es kam mir auch vor, als wäre übermäßig viel Farbe reingedreht, aber das kann natürlich auch daran liegen, dass ich gerade aus dem Hamburger Winter komme. Und die Story: hat schöne Momente. Aber auch da ist so viel verschenkt, da wäre so viel Platz für Witziges und Trauriges gewesen, stattdessen ist es recht vorhersehbar (an einer Stelle raune ich dem Mann zu „jetzt stirbt er gleich“, und dann geht die Kamera weg von der Figur und auf einen großen, weißen Kranich, der dann wegfliegt, in den Himmel, weiter und weiter weg … du meine Güte, können Autoren und Drehbuchautoren BITTE ENDLICH aufhören, Vögel wegfliegen zu lassen, wenn jemand stirbt oder beerdigt wird? Das haben wir doch jetzt echt oft genug gesehen und gelesen). Und die Dialoge sind zum Teil entsetzlich hölzern übersetzt. Beispielsweise schon dieser Satz im Trailer: „Nein, was ich nicht aussprechen kann, esse ich auch nicht.“ So spricht doch kein Mensch! Auch keine alte Zicke!)
Schade. Viele bunte Bilder gesehen, und ich mag Judi Dench und Bill Nighy gern und habe auch ein paarmal gelacht, aber in Erinnerung bleiben wird der Film eher nicht.

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