Tschüss, 2016!

Vor fünf Jahren schrieb ich an dieser Stelle: 2012 war das Jahr, in dem ich plötzlich Autorin war. Sachen machen war erschienen, und ein paar Kurzgeschichten. 2016 war nun das Jahr, in dem ich plötzlich Bestsellerautorin war, und das ist ganz schön irre.

Was für ein Jahr. Ein Rausch! Uff, hurra und tirili! Es fing damit an, dass Mitte Februar der Pfau erschien und ich erst eine Zyste an der Schilddrüse und dann einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule hatte. Das sorgt für ziemliche Schmerzen im Arm, bis in die Finger, und wird behandelt durch Abwarten, Schmerzmittel und Physiotherapie. Wenn man Pech hat, muss es operiert werden, aber ich hatte Glück, einen Mann namens Nils und später eine Frau namens Monika (Feldenkrais! Super Sache!), und inzwischen ist alles wieder gut. Aber es sorgte doch dafür, dass ich dachte: Okay, Körper, ich habe verstanden. Es war ja noch nicht abzusehen, wie der Pfau abgehen würde, aber im Nachhinein bin ich geradezu froh um diese kleinen Lästigkeiten, die mir gesagt haben, dass ich 2015 zu viel gearbeitet habe und es 2016 ein bisschen lockerer angehen lassen sollte. Und so habe ich außer der Lesereise gar nicht so viel gearbeitet. Zwei, drei Kurzgeschichten übersetzt, eine Leseprobe für den nächsten eigenen Roman fertiggemacht und mir ansonsten nicht zu viel Stress gemacht. Stellt sich nämlich raus: So eine Lesereise ist natürlich vor allem großartig, aber halt auch anstrengend. Es war genau richtig, zwischen den Reisen, wenn ich ein paar Tage zu Hause war, nicht auch noch größere Mengen übersetzen oder schreiben zu wollen, sondern mich mit kleinem Bürokram und Wäschewaschen zu begnügen. Und so bin ich nicht mal beim Endspurt mit 15 Lesungen im November krank geworden, sondern gesund und gutgelaunt und sehr, sehr glücklich am 1. Dezember nach Hause gekommen, habe den Koffer ausgepackt und ihn nicht drei Tage später wieder eingepackt. Ich hätte dann einigermaßen unverzüglich mit dem Übersetzen loslegen müssen (ein dicker Erzählband von Jane Gardam), aber das hat nicht so recht geklappt, sodass jetzt der Druck wieder einigermaßen hoch ist. Anders gesagt: back to normal.
Dieses Jahr habe ich in so vielen Betten geschlafen wie noch nie, ich habe nicht mitgezählt, aber es waren 65 Lesungen und insgesamt sicher über 50 Betten. Ich bin so viel Bahn gefahren wie noch nie und immer noch großer Bahnfan. Ich hatte plötzlich ein Publikum, ich hatte tatsächlich Fans, das ist total verrückt. Ich habe lauter tolle Leute kennengelernt, und ich habe tausenderlei Pfauengeschenke bekommen. Der Pfau steht seit über 40 Wochen auf der Bestsellerliste, im Moment auf Platz 45, und ich grinse dümmlich-beglückt vor mich hin, während draußen in der großen Politik gerade sehr vieles sehr fürchterlich ist. Syrien, AfD, Brexit, Trump, wisst Ihr alles, das gehört hier nicht so recht rein. Hier rein gehört, dass noch weitere Bücher erschienen sind: Eine treue Frau und Letzte Freunde und Die Rettung und Die geheimen Briefe und Hetty von Jane Gardam in meiner Übersetzung (die drei letzten sind einzelne Kurzgeschichten, das sind keine fünf Romane) und Irgendwo ins grüne Meer, eine Anthologie mit 16 Geschichten von Inseln, die ich zusammen mit Anne von Canal herausgegeben habe. Die sind hier im Blog total untergegangen, wie hier alles ein bisschen untergegangen ist, vor lauter Lauter.
Privat verreist bin ich 2016 auch, ich war auf Helgoland und in Klagenfurt, im Sommer in Schottland, und weil das so kalt und verregnet war, im Herbst noch eine Woche auf Lanzarote. Das war super, kurz noch mal Sonne tanken vor dem November mit den vielen Lesungen und den vielen zugigen Bahnhöfen.
Sobald ich zwischendurch zu Hause war, hatte ich große Lust, Freunde zu treffen und auszugehen. Ich war so oft im Kino wie vermutlich in den 20 Jahren vorher zusammen (Star Wars, Die Peanuts, Nur wir drei gemeinsam, Hail Caesar, Tschick, Toni Erdmann, Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children). Immerhin habe ich fast alle Filme verbloggt, bis auf den letzten, dafür habe ich möglicherweise über kein einziges gelesenes Buch geschrieben. Dabei habe ich tolle Bücher gelesen, der Favorit des Jahres trägt den etwas unglücklichen Titel Und doch ist es Heimat und ist von Jochen Metzger. Wenn ihr das bitte alle lesen würdet. Es geht um die letzten Kriegstage in einem Dorf im Badischen und ist teilweise gar nicht schön, aber unfassbar gut geschrieben. Keine Ahnung, warum das nicht mit den wichtigsten Literaturpreisen bedacht und in sämtlichen Feuilletons besprochen wurde.
Im Theater war ich auch, und in Konzerten, das war in jeder Hinsicht ein sehr reiches Jahr. Die musikalische Entdeckung des Jahres heißt Von wegen Lisbeth.

Ich hatte ein sensationelles Jahr. Wahrscheinlich hat man so eins nur einmal im Leben. Ich bin auch noch nicht fertig mit dem Verarbeiten, manchmal schaue ich immer noch mein Buch an und kann es nicht glauben. Ich? Einen Roman geschrieben? Der so toll aussieht? Und die Buchhändler lieben ihn? Das ist alles nicht wahr, oder?

Danke für das schöne Leben, Weltgeist. Weitermachen, bitte.

The News

Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Der Pfau steht tatsächlich auf der Shortlist für das „Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen“. (Anklicken zum Vergrößern.)

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Dafür konnten die unabhängigen Buchhändler ihre Lieblingstitel einreichen, es gab insgesamt 175 Vorschläge, und die fünf am öftesten genannten Bücher sind jetzt auf der Shortlist. Über diese fünf Bücher stimmen die unabhängigen Buchhändler jetzt ab, und am 9. November wird der Sieger verkündet. Ab dem 10. November findet die „Woche unabhängiger Buchhandlungen“ statt.

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Liebe Buchhändler: Danke. Ihr seid toll, und es ist ein riesengroßes Kompliment, dass Ihr den Pfau zu einem von fünf Lieblingsbüchern erklärt. Ich bin wirklich ehrlich gerührt.

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Und gleich noch eine Nominierung hinterher: Die Hörbucher zum Pfau und zu Jane Gardams „Treuer Frau“ stehen auf der Longlist für den Hörkules! Das ist ein Publikumspreis, jeder kann mit abstimmen. *hust* (Bild anklicken.)

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ICH FREU MICH SO!

Lesereise: Silber

Die 25. Lesung war eine Menülesung. Es war meine erste, und sie war sehr schön, das Essen toll, die Gäste super. Einmal gab es eine Lesung mit Musik, mit (na gut, eher irischem als schottischem) Folk, mit Dudelsack und Gitarre und Gesang, das war auch toll. Überhaupt bin ich – das klingt jetzt möglicherweise etwas un-überraschend – ein großer Fan von Buchhändlerinnen und Buchhändlern. Natürlich mochte ich Buchhandlungen auch schon vorher. Aber jetzt war ich in knapp 25 Buchhandlungen eingeladen (zwei, drei Mal waren es andere Veranstalter) und bin ganz verliebt: Was Buchhändler sich alles einfallen lassen! Sie gestalten Plakate und hängen sie auf, haben zum Teil ganz tolle Eintrittskarten, holen den benachbarten „vom Fass“ oder Italiener dazu, der Getränke und Häppchen verkauft oder spendiert, andere schenken kostenlos Wein aus, manche machen Häppchen, manche sogar echt britische Sandwiches, haben Whisky und Drambuie und Shortbread und Hobnobs da, legen schottisch karierte Decken auf die Büchertische, hängen große Pfauenbilder an die Wand, dekorieren ganze britische Schaufenster oder bauen veritable Bogdan-Altäre mit dem Pfau und Sachen machen und meinen Übersetzungen, mit Plakaten und Deko und allem Schischi. Und ich bin jedes Mal aufs Neue gerührt. Sie holen mich am Bahnhof ab und bringen mich ins Hotel und holen mich später am Hotel ab und bringen mich zur Buchhandlung und am nächsten Morgen wieder zum Bahnhof. Sie kümmern sich und sind total reizend, allesamt. Und dann kommen die Kunden, denen sie mein Buch zum Teil schon ans Herz gelegt haben, die es zum Teil schon gelesen haben, und immer habe ich das Gefühl, das Verhältnis zwischen Buchhändlerinnen und Kundinnen ist ein Besonderes, man kennt sich, man mag sich, es herrscht immer eine herzliche, entspannte und vergnügte Stimmung. Liebe Buchhändler: Ihr seid toll. Echt jetzt mal.

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Die Zuhörer sind auch toll. Sie kommen, weil sie Spaß haben wollen, und dann haben sie hinterher noch ganz viele Fragen und sind total interessiert. Wie man auf so eine Idee kommt. Wie das mit dem Übersetzen ist. Was man, ganz unverblümt, als Übersetzerin eigentlich verdient. Was mich inspiriert. Warum der Pfau ein Pfau sein muss, und warum kein Affe. Warum die Chefin eine Frau und die Mitarbeiter vier Männer sind, und ob das nicht auch umgekehrt hätte sein können. Warum ich mich so gut mit Bankern und mit Teambuilding auskenne. (Spoiler: Tu ich gar nicht.) Dass man den Pfau ja auch politisch lesen kann, als Hierarchiekritik. Oder die 96jährige Dame in breitem Kölsch: „Wat isch mal fraren wollte: Denken Sie beim Schreiben eijentlisch auch an misch? Weill, Sie müssen misch unterhallten, Sie müssen mir den Alltag anjenehmer machen. Wenn Sie dat schaffen, dann sinn Sie für misch ne super Autorin! Isch bin ja Ihr Suppentopf. Ohne misch hätten Sie ja nix zu essen. Da müssen Sie beim Schreiben ja auch an misch denken.“

Manchmal war die Lokalpresse da und hat berichtet. Ich hieß Isabel, Isabell, Isabelle und Isabella. Ich hieß Bogdan, Bodgan und Bogdahn. Macht nichts, sowas passiert. Ich hatte sehr einfache Einzelzimmer und sehr schöne, große Doppelzimmer. In Köln hatte ich drei Nächte hintereinander das selbe Bett, das war schön. Ich hatte morgens um acht den lautesten Staubsauger der Welt direkt vor der Tür eines winzigen Einzelzimmers, also quasi direkt neben meinem Bett. Ich hatte einen Supermarkt nebenan, der um halb sieben beliefert wurde, mit einem ganzen LKW voll Zeug. Das macht alles nichts, ich mag das alles und schlafe hinterher weiter. Ich hatte herrlich ruhige Zimmer. Ich hatte doofe Kopfkissen, und ich hatte total bequeme Betten. Ich hatte tolle und schlimme Frühstücke. Ich habe für 12 oder für 140 Leute gelesen, meistens irgendwas dazwischen. Ich habe unfassbar viele Komplimente bekommen, jeden Abend wieder. So viel Liebe, so viel Schönes, so viel Freundlichkeit und Begeisterung von wildfremden Menschen. Das macht manchmal so rosa Glitzerwölkchen um mich herum. Ich habe ein Buch signiert für eine Cousine, die Krebs hat und nicht wieder gesund werden wird. Ich habe meistens viel zu wenig von den Städten gesehen, in denen ich war. Ich habe mir zwischendurch ein Kleid gekauft und ein T-Shirt.
Einmal bin ich ganz kurzfristig bei einem sehr schönen Festival im Salzkammergut für einen erkrankten Autor eingesprungen. Der Autor war wichtig, ich habe die schicke Suite bekommen, die für ihn vorgesehen war, in der schönen Wasnerin, habe mit großen Autoren zusammen gelesen (Clemens Setz! Thea Dorn! Marjana Gaponenko! Martin Walser! Hans Platzgumer!) und im Whirlpool auf der Dachterrasse gelegen und aufs Dachsteingebirge geguckt. Das war ein sehr schönes und glamouröses Wochenende. Und die Geschichte vom allerdollsten Zimmer erzähle ich ein andermal gesondert.
Aber normalerweise packt man morgens wieder den Koffer und fährt wieder zum Bahnhof und fährt in die nächste Stadt und sucht sich das nächste Hotel und die nächste Buchhandlung und fängt von vorne an. Die Bahn ist nach wie vor mein Freund, auch wenn ich von einem Besuch des Dortmunder Hauptbahnhofs an Fußballsamstagen eher abraten möchte. Das macht alles großen Spaß, und ein bisschen anstrengend ist es auch, aber ich habe dann auch immer wieder ein paar Tage dazwischen, an denen ich zu Hause bin.

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Gestern Morgen bin ich aufgewacht und habe noch im Halbschlaf überlegt, in welcher Stadt ich bin und wie das Hotelzimmer aussieht, in dem ich liege. Dann fiel mir ein, dass ich zu Hause bin, und ich habe mich gefreut. Hier bleibe ich jetzt die ganze Woche, am Freitag lese ich in Hamburg, im Büchereck Niendorf. Nächste Woche geht es dann wieder los, darauf freue ich mich auch.

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