Extremsport, Teil 2

Vor knapp vier Jahren habe ich ja mal diese abgefahrene Extremsportart ausprobiert. Mein Sportgerät war damals ein gutes halbes Jahr alt, jetzt ist es vier Jahre älter, und das Gute an dieser Sportart ist, dass das Sportgerät sie irgendwann allein ausübt.
Ich holte Buddenbohms Sohn II also am frühen Nachmittag an der Kita ab und ging mit ihm zum Kinderschwimmen. Es war die erste Stunde im Pinguinkurs, der ist für große Kinder. Für Vierjährige! Da gehen die Eltern nicht mehr mit ins Wasser, auch die Patentanten und Babysitter nicht. Sohn II behauptete auf dem Hinweg, er könne sogar schon da schwimmen, wo nicht mal seine Eltern schwimmen können. War natürlich gelogen, aber Sohn II wird auch „Chuck Norris“ genannt, Sohn II ist nicht nur ein Angeber, sondern er hat wirklich vor nichts Angst, er kann alles, traut sich alles, hat einen sehr starken Willen und ebenso viel Energie, ihn durchzusetzen. Wenn er im vollen Lauf gegen die Tischkante knallt, fällt er hin, sagt „ding-dong“, steht auf und rennt weiter. Sohn II ist sogar so cool, dass er Karneval als Fee und Prinzessin geht, und wenn ihn dafür jemand auslacht, dann „kriegt der aufs Maul“. Seine Worte.
Seine Eltern allerdings hatten mir erzählt, er sei wasserscheu. Jetzt freue er sich aber trotzdem auf den Schwimmkurs, denn dass der große Bruder schon schwimmen kann und er nicht, das kann er nicht so gut ab.
Sohn II zieht sich in der Umkleidekabine in verblüffender Geschwindigkeit selbst aus, er freut sich wohl wirklich. Wir sind recht früh da, in einem winzigen „Bewegungsbad“ im Keller eines Krankenhauses, und Sohn II und sein Kumpel toben noch eine Weile in der Umkleidekabine herum. Man kann dort wunderbar im Kreis gehen, jedes einzelne Spind aufmachen und wieder zuknallen. Macht ordentlich Lärm.
Als es soweit ist und wir in die eigentliche Schwimmhalle gehen, werden die Jungs plötzlich deutlich ruhiger. Sie setzen sich artig auf die Bank, wie die Schwimmlehrerin es ihnen sagt, und sind still. Die Schwimmlehrerin heißt Kerstin, Chuck Norris erklärt Kerstin, er heiße Rosalinde. Sie macht sich eine Notiz. Die Jungs warten und gucken groß.
Es kommt noch ein drittes Kind, ein Mädchen (Chuck Norris steht auf Mädchen), und als die drei komplett sind, dürfen sie sich jeder einen Schwamm aussuchen und dann wird erstmal geduscht. Vater, Babysitterin und Patentante werden rausgeschickt, das hier ist für große Kinder, wir dürfen vor der Tür warten. Natürlich linsen wir gelegentlich rein. Die Kinder sitzen entweder an der Treppe ins Becken und hören zu, oder sie paddeln mit ihren Poolnudeln ans andere Ende, wo wir sie nicht mehr sehen. Die Poolnudeln sind zum U gebogen, die Kinder hängen mit den Armen über der Biegung, die Nudelenden stehen hinter ihnen hoch in die Luft wie bunte Libellenflügel.
Am Ende der Dreiviertelstunde werden wir hereingewunken und dürfen einmal zugucken. Chuck Norris strahlt mich an. Er strahlt so dermaßen, dass ich fast sagen möchte: er leuchtet. Wahrscheinlich erwärmt er das Wasser durch sein Strahlen noch mehr. (Affenhitze hier drin.) Der Stolz quillt ihm aus allen Poren, er strahlt und paddelt mit seiner Poolnudel herum und dann schnell an den Rand, sich festhalten. Und strahlt und strahlt.
Und dann dürfen alle Kinder noch einmal vom Rand springen. Trauen sich aber nicht. Also setzen sie sich auf den Rand, Kerstin gibt ihnen die Hände, und sie rutschen vom Rand ins Wasser und in Kerstins Arme. Und strahlen und strahlen und sind ganz offensichtlich sehr, sehr stolz und sehr glücklich. Ich nehme Chuck Norris an der Treppe in Empfang und sage, na, war’s schön? Er nickt nur.
Die Babysitterin des Kumpels und ich schieben die Jungs unter die Dusche, duschen sie kurz ab, sie stehen nur da und lassen es geschehen. Sie strahlen und schweigen. Ich ziehe Sohn II sein Kapuzenhandtuch über und stelle fest: Chuck Norris ist fix und fertig. Er friert urplötzlich, das Strahlen ist weg, er steht einfach nur da wie ein begossener Pudel, nass und frierend. Ich rubbele ihn schnell ab, dann nehme ich ihn auf den Arm – ich bin voll angezogen und jetzt ein bisschen nass, aber egal, ich trage ihn in die Umkleide, setze mich mit ihm auf dem Schoß hin, und dann sitzen wir da. Chuck Norris rollt sich auf meinem Schoß zusammen, legt mir den Kopf an die Brust und sagt immer noch nichts. Chuck Norris kann nicht mehr, er ist wie ausgeknipst.
Sein Kumpel zieht sich an, bekommt die Haare geföhnt, Sohn II kuschelt. Ich bin mächtig beeindruckt, wie fertig dieses Kind ist. Ich lasse ihn erstmal in Ruhe, dann mache ich ein bisschen Konversation, frage, ob es toll war, und ob er mit der Nudel ganz allein bis ans andere Ende geschwommen ist. Er nickt und lächelt schwach, und dann mehr, und dann knipst er das Strahlen wieder an. Draußen hören wir Maximilian und Sohn I und machen die Tür auf, und er strahlt sie auch an und platzt vor Stolz. So offensichtlich, dass Maximilian als erstes sagt „na, da ist aber einer stolz“.
Es würde mich nicht wundern, wenn es am Montag Nachmittag in ganz Hamburg ein bisschen heller geworden wäre. Das habt Ihr doch sicher bemerkt? Das war Sohn II.

Kleine Sachen machen

Beim Dämmerungsspaziergang um die Alster einfach zwei Slackliner angesprochen, ob ich mal versuchen darf. Erstaunlich schwierig, ich bin nicht besonders weit gekommen. Macht aber Spaß, und man braucht sämtliche Muskeln, die man so hat, weil man dauernd das Gewackel ausgleichen und die Spannung halten muss. Beim nächsten Mal frage ich wieder. Ich bitte um besondere Beachtung meiner eleganten Fingerhaltung auf dem zweiten Bild.

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