„Bonjour Tristesse, Du alte Hackfresse.“ Nachlese

Hurra! Unser Tonmann Lars hat wieder ganze Arbeit geleistet – hier ist die ganze Lesung zum Nachhören; Bilder von Klaus Friese, der uns auch moderiert hat, gibt es hier. Lady Grey hat Schuhe geknipst, und Kid37 war auch da. Und AxelK.
Danke Euch fürs Kommen, war ein schöner Abend!


Foto: Lady Grey

NACHTRAG: Lars hat auch die letzten beiden Lesungen (Tristesse – Herbst 2009 und Tirili – Frühjahr 2010) da drüben abgelegt. Da kann man jetzt auch Mek, Bov, Percanta, Henrike nochmal hören, und mehrfach Merlix und mich, weil wir ja immer lesen. Das ist wirklich toll, vielen Dank, Lars!

„Hamburgs Blogger“

So heißt eine kleine Reihe, die der großartige Fotograf Stefan Groenveld gerade angefangen hat. Mehr von ihm gibts hier. Wir kennen uns seit einer Weile aus dem Internet, von Twitter und Facebook – ich weiß nicht mehr, wie es kam, jedenfalls finde ich seine Sport- und Portraitfotos sensationell. Gestern haben wir uns getroffen, bei leichtem Schneeregen abends im Dunkeln draußen. „Perfektes Fotowetter“, meinte er, und wenn ich mir die Bilder so angucke, hatte er da wohl recht. Wobei er drüben bei sich nur welche zeigt, die drinnen entstanden sind, im Elbtunnel. Da war es vergleichsweise mollig.

Vielen Dank, Stefan! Die Bilder sind wirklich toll, und Spaß gemacht hat es auch.

PS: Auf meiner „Über mich„-Seite ist noch eins.

Leserservice

Hier die nächsten Termine für diese eine Veranstaltung da, damit das nicht immer so überraschend kommt.

24.-26.12.2010
24.-26.12.2011
24.-26.12.2012
24.-26.12.2013
24.-26.12.2014
24.-26.12.2015

Alina Bronsky: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Yeah! Hier kommt mal wieder eine dicke Leseempfehlung.
Die Tatarin Rosalinda ist resolut und selbstgerecht. Oder sagen wir: despotisch bis zum Anschlag. Sie weiß, wo es langgeht, sie weiß, was sie will, sie weiß auch, wie sie es bekommt, und sie weiß natürlich, was für alle anderen gut und richtig ist. Und sie hat keinerlei Verständnis, wenn jemand anders womöglich etwas anderes will, denn schließlich will sie für alle nur das Beste. Zum Beispiel für ihre Tochter Sulfia.
Sulfia ist leider nicht nur dumm, sondern auch noch hässlich, und so kann Rosalinda sich gar nicht erklären, wie Sulfia plötzlich schwanger sein kann. Sulfia weiß es auch nicht, sie sagt, sie habe nur von einem Mann geträumt. Rosalinda weiß, dass so was vorkommt, und hält es auch für die plausibelste Erklärung, denn ein echter Mann würde Sulfia sicher nicht anrühren, so dumm und hässlich wie sie ist. Das Baby muss also weg, und so beginnt das Buch damit, dass allerlei Abtreibungsversuche schiefgehen und schließlich Aminat geboren wird (klar, dass Rosalinda den Namen bestimmt).
Aminat ist nun überraschenderweise klug und schön. Sie kommt eben nach ihrer Großmutter, nicht nach ihrer Mutter. Und natürlich kümmert Rosalinda sich um sie, denn Sulfia ist ja zu dumm dazu und weiß gar nicht, wie man ein Kind erzieht, und überhaupt ist Aminat schließlich Rosalindas Enkelin. Wir begleiten die Geschichte dieser drei Frauen über ungefähr 30 Jahre. 30 Jahre, in denen verschiedene Männer kommen und gehen, in denen sich politisch und damit im Alltag einiges verändert, und in denen Rosalinda ihre Tochter niedermacht und ihre Enkelin vergöttert, einerseits, sie andererseits aber natürlich ebenso rücksichtslos behandelt wie alle anderen auch. Kostprobe:

Ich packte auch in Sulfias Haushalt mit an, einer musste es ja tun. Ich räumte auf, in der Küche, im Flur, im Schlafzimmer auch. Ich saugte Staub, wischte die Böden und putzte die Toilette. Ich wollte nicht, dass Aminat im Dreck aufwuchs, zwischen den Darmbakterien ihres Stiefvaters auf der Klobrille und seinen Herpesviren an den benutzten Stofftaschentüchern, die er herumliegen ließ. Ich sammelte sie auf, suchte sie zwischen den Decken und Kissen im Ehebett zusammen, hob sie vom Boden unter der Couch auf, wusch sie in einer Schüssel, hängte sie zum Trocknen auf, bügelte sie anschließend. So auch mit der ganzen anderen Wäsche, die ich fand.
Sulfia war undankbar wie immer. Sie sagte nur: „Mutter, lass das bitte.“ Irgendwann schrie sie mich sogar an. Das war, nachdem ich ihren Schrank aufgeräumt hatte, Unterhosen, Büstenhalter und Strumpfhosen sortiert und gefaltet, die löchrigen herausgelegt und per Hand gestopft. Ich hatte das alles gemacht, obwohl ich in dieser Zeit lieber ferngesehen oder eine Zeitschrift gelesen hätte, und dafür schrie sie mich jetzt so laut an, dass Aminat in der Tür auftauchte und „Mama, spinnst du?“ fragte.

Was für ein Buch! Eine Tragikomödie, ebenso tragisch wie komisch, oder vielleicht eher: grotesk, und erstaunlicherweise muss man Rosalinda in ihrer ganzen Verbittertheit und Härte auch irgendwie ein bisschen mögen. Alle anderen möchte man manchmal gerne aufwecken und schütteln, damit sie zur Besinnung kommen und der Frau endlich mal Paroli bieten, aber jenun. So sind sie eben allesamt nicht gestrickt. Außer Aminat.
Auch sprachlich ist das alles irgendwie speziell – kurze, einfache Sätze, die eine sonderbar fremde Anmutung haben. Dabei ist gar nichts „falsch“ oder hat eine auffällige Grammatik oder so. Hervorragend gemacht, passt perfekt. Wirklich ein wundervolles Buch, mit sehr viel Humor und sehr viel Ironie. Dabei gibt es gar nichts zu Lachen. Total toll, und jetzt möchte ich sofort „Scherbenpark“ hinterherlesen.

Alina Bronsky kommt im Regal zwischen André Brink und Charlotte Brontë.

Alina Bronsky: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche. Kiepenheuer und Witsch, 317 Seiten, 18,95 €

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