Film: Toni Erdmann

Jajaja, den haben natürlich alle schon gesehen. Ich jetzt auch! Mit Maximilian. Allerdings hatte ich etwas falsche Vorstellungen, aus irgendeinem Grund habe ich mit einem lustigen Film gerechnet. Und ja, er ist auch lustig. Aber vor allem ist er herzzerreißend, und das meine ich vollkommen unironisch. Es zerreißt einem das Herz.
Winfried Conradi ist ein schrecklich einsamer Mensch. Er ist Musiklehrer, sein letzter Klavierschüler kündigt, seine Mutter ist steinalt, sein Hund ebenfalls, die Tochter macht Karriere in einer Unternehmensberatung, für die sie zur Zeit in Rumänien arbeitet. Sie trägt dunkelblaue Hosenanzüge, telefoniert pausenlos und träumt davon, bei McKinsey zu arbeiten. Winfried Conradi versucht verzweifelt, sich mit Scherzartikeln und albernen Verkleidungen aus der Einsamkeit herauszuwitzeln; das klappt natürlich nicht so recht und führt beim Zuschauer dauernd zu leichtem Fremdschämen.
In einem besonders einsamen Moment fliegt er kurzentschlossen nach Bukarest und besucht seine Tochter. Unangekündigt. Das läuft natürlich auch nicht besonders gut, also reist er ab, und an seiner Stelle taucht „Toni Erdmann“ auf, denn Winfried will seine Tochter, die ihm irgendwie entglitten ist, zurückerobern. Als Vater hat er das nicht geschafft, also versucht er es in dieser Rolle und schreckt dabei vor keiner Peinlichkeit zurück. Wie Peter Simonischek es schafft, die ganze Zeit haarscharf an der Kante zum echten Verrücktwerden entlangzubalancieren, das ist umwerfend. Und noch umwerfender ist Sandra Hüller als seine Tochter Ines. Auch sie balanciert den ganzen Film über an verschiedenen Kanten entlang: Etwa an der Kante zwischen Scham über ihren Vater und ihrer Liebe zu ihm. Zwischen eiskalter Karrierefrau und Verletztlichkeit. Zwischen professionell und privat, zwischen Selbstsicherheit und Zweifel, zwischen den Rollen, die sie spielt, und denen, die sie gern spielen würde, zwischen Angespanntheit und Souveränität. Und wer nicht heult, wenn sie singt (weil ihr Vater sie dazu zwingt), der hat kein Herz.

Also: Unbedingt angucken! Sensationeller Film. Es wird übrigens alles ganz unaufgeregt erzählt. Keine spektakulären Kamerafahrten oder Schnitte, nicht dauernd Musik, kein Schischi. Nur diese Menschen, die man im echten Leben vermutlich nur schwer ertragen könnte, aber einfach lieben muss. Was für ein Film!

Buch und Regie: Maren Ade.

3 Kommentare

  1. Ina Samstag, 10. September 2016 um 19:45 Uhr [Link]

    Ich habs nicht so mit deutschen Filmen, alles klingt ao abgelesen oder auswendiggelernt, ich schaffe keine 10 Minuten beim Tatort, Toni Erdmann ist der Knaller!

  2. LiFe Freitag, 16. September 2016 um 23:20 Uhr [Link]

    An sich macht es mehr Spaß eigene Filme fantasieren. Filme, die man gerne sehen würde.

  3. Woanders – Mit der Onleihe, Toni Erdmann, Buchcovern und anderem | Samstag, 17. September 2016 um 17:58 Uhr [Link]

    […] war mit Isa im Kino und sie hat drüber geschrieben. Das ist schön, wenn man mit BloggerInnen befreundet ist, manchmal muss man dann nicht einmal […]

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