Jottwehdeh

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„Wenn man wegfährt, wär irgendwie gut, wenn man weiß, wohin.“
„Wir könnten meine Verwandtschaft besuchen. Ich hab einen Großvater in der Walachei.“
„Und wo wohnt der?“
„Wie, wo wohnt der? In der Walachei.“
„Hier in der Nähe oder was?“
„Was?“
„Irgendwo da draußen?“
„Nicht irgendwo da draußen, Mann. In der Walachei.“
„Das ist doch dasselbe.“
„Was ist dasselbe?“
„Irgendwo da draußen und Walachei, das ist dasselbe.“
„Versteh ich nicht.“
„Das ist nur ein Wort, Mann“, sagte ich und trank den Rest von meinem Bier. „Walachei ist nur ein Wort! So wie Dingenskirchen. Oder Jottwehdeh.“
„Meine Familie kommt von da.“
„Ich denk, du kommst aus Russland?“
[…]
„Jottwehdeh gibt’s nicht, Mann! Jottwehdeh heißt janz weit draußen. Und die Walachei gibt’s auch nicht. Wenn Du sagst, einer wohnt in der Walachei, dann heißt das: Er wohnt in der Pampa.“
„Und die Pampa gibt’s auch nicht?“
„Nein.“
„Aber mein Großvater wohnt da.“
„In der Pampa?“
„Du nervst, echt. Mein Großvater wohnt irgendwo am Arsch der Welt in einem Land, das Walachei heißt. Und da fahren wir morgen hin.“
Er war wieder ganz ernst geworden, und ich wurde auch ernst. „Ich kenn hundertfünfzig Länder der Welt mit Hauptstädten komplett“, sagte ich und nahm einen Schluck aus Tschicks Bierflasche. „Walachei gibt’s nicht.“

Wolfgang Herrndorf: Tschick, Kapitel 18

Ich fürchte, ich habe die Studierenden ein bisschen überfordert. Aber macht vielleicht auch nichts.

Die chinesischen Zeichen sind als zweites „Dingenskirchen“, und rechts ist der „Arsch der Welt“. Die anderen drei sind Walachei, Jottwehdeh und die Pampa (ich glaube, in der Reihenfolge, bin aber nicht ganz sicher, was was ist). Das sind die Übersetzungen aus der Taiwanesischen Übersetzung, das ist ein bisschen anders als Chinesisch (Langzeichen!). Es gab aus der Gruppe auch noch andere Vorschläge, etwa „da scheißt nicht mal ein Vogel hin“, was wohl eine stehende Wendung für den Arsch der Welt ist.

12 Kommentare

  1. twschneider Mittwoch, 13. November 2013 um 12:53 Uhr [Link]

    …und morgen Arno Schmidt.

  2. Helge Wilker Mittwoch, 13. November 2013 um 12:53 Uhr [Link]

    Nur, wenn man sie überfordert, haben sie die Gelegenheit, ihre Grenzen kennen zu lernen. Und eventuell darüber hinaus zu gehen.

    Unterfordern ist unfair denen gegenüber, die mehr könnten – und es nicht wissen.

  3. adelhaid Mittwoch, 13. November 2013 um 13:15 Uhr [Link]

    super!
    die puzzler fandens bestimmt geil!

  4. skiuuenblog Mittwoch, 13. November 2013 um 13:30 Uhr [Link]

    sososo, macht bestimmt spaß, in den tiefen der sprachwurstküche zu wühlen…
    weiter so! und als nächstes bitte die herkunft von: „iss auf, dann gibt’s morgen gutes wetter“ klären!

    • Isabel Bogdan Mittwoch, 13. November 2013 um 13:50 Uhr [Link]

      Das kann nicht aus China kommen. Hier wird angeblich immer viel zu viel aufgefahren, damit es nicht aussieht, als hätte es zu wenig gegeben.

    • Rebekka. Sonntag, 24. November 2013 um 12:11 Uhr [Link]

      Für das mit dem Wetter gibt es ein Gerücht:
      …, dann gibt’s morgen gutes Wetter <– …, dann gibt's morgen wedder was Gutes! <– norddeutsch für "Dann gibt's morgen wieder etwas Gutes zu essen" <– nichts altes von gestern, sondern etwas neues/gutes <– "Wenn keine Reste übrig bleiben/du aufisst, gibt es morgen wieder etwas Gutes!" :).

  5. Trippmadam Mittwoch, 13. November 2013 um 14:14 Uhr [Link]

    „Da scheißt nicht mal ein Vogel hin.“ Herrlich! Können wir bitte alle anfangen, diese Redewendung im Deutschen zu benutzen, damit sie sich einbürgert? Sehr schön fand ich auch immer die spanische Wendung „donde San Juan perdió los calzones“ (wo der heilige Johannes seine Unterhosen verlor).

  6. Ingrid Mittwoch, 13. November 2013 um 15:09 Uhr [Link]

    Studierende! Brav! So eine Art sprachdidaktischer Rückkopplungseffekt, oder?

    Das mit dem Vogel, der nicht scheißt, gefällt mir auch. Wir hatten anderswo schon mal so ne hübsche Diskussion über begrabene Hunde, wo man nicht tot überm Zaun hängen will. Ausbaufähig, definitiv!

  7. Anke Mittwoch, 13. November 2013 um 17:53 Uhr [Link]

    Gern gelesen und sehr gelacht.

  8. Frank B. Donnerstag, 14. November 2013 um 02:34 Uhr [Link]

    Kleinkleckersdorf und Bielefeld gibts auch nicht ( bei zweitem wird es kompliziert).

    • Isabel Bogdan Donnerstag, 14. November 2013 um 02:54 Uhr [Link]

      Buxtehude! Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

  9. Nadine Sonntag, 17. November 2013 um 12:24 Uhr [Link]

    Als sich meine Zehntklässler letztes Jahr mit dieser Abkürzung konfrontiert sahen, hätte ich wohl auch mit der chinesischen Übersetzung ähnlich viel erreichen können… ˆ-ˆ
    „da scheißt nicht mal ein Vogel hin“ ist einfach genial…

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