Besser ist das: der Regionalulf

Theoretisch wäre jetzt erstmal ein kleiner Artikel fällig, aus welchen Gründen es eine gute Idee ist, regional hergestellte Produkte zu kaufen. Bei Lebensmitteln liegen ein paar Dinge auf der Hand: erstens, wenn man nur regionale Produkte kauft, bekommt man keine Ananas, keine Orangen, und im Winter eigentlich ungefähr gar kein frisches Obst und Gemüse außer Kohl. Man wird also vermutlich doch immer Dinge kaufen, die über gewisse Strecken transportiert werden müssen.
Zweitens gibt es aber auch Lebensmittel, bei denen lange Transporte in der Tat überflüssig sind. Wieso sollte meine Milch aus Weihenstephan kommen, nur so als Beispiel? Es ist ja nicht so, dass es im Hamburger Umland keine Kühe gäbe.
Und deswegen kürze ich hier sozusagen mal eben ab und spare mir die Begründung, warum regionale Produkte eine gute Sache sind, und komme stattdessen gleich zu einem konkreten Beispiel.

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Ich habe einen Mann kennengelernt. Den Regionalulf*. Also, zuerst hat Maximilian ihn kennengelernt, online über einen Blogkommentar, und dann haben wir uns neulich zu dritt getroffen, nachdem wir zwei Hamburg-Auskenner die Oberhafenkantine dann doch noch gefunden haben. Die ganze Geschichte ist bei Max nachzulesen.
Der Regionalulf betreibt das kleine, feine Unternehmen Hamburger Regionalwaren. Dort gibt es handverlesene Lebensmittel aus der Region: Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukte, Honig, Marmeladen, Senf, Getränke. Freitags fährt Ulf persönlich durch Hamburg und liefert die bestellten Produkte aus (Bestellannahme bis Mittwochvormittags). Das Sortiment ist klein, der Regionalulf kennt alle Produzenten und ihre Betriebe persönlich. Diese Betriebe sind ebenfalls klein, und deswegen ist der virtuelle Regionalwarenladen auch so eine gute Idee: weil man als Verbraucher diese Kleinbetriebe gar nicht unbedingt findet. Und wenn doch, dann vielleicht mal hier oder da auf einem besonderen Markt, wo man dann einmal etwas kauft und dann nie wieder. Übrigens sind diese Betriebe oft so klein, dass sich eine Bio-Zertifizierung für sie gar nicht lohnt. Es kostet nämlich richtig Geld, sich so ein Bioetikett auf die Produkte kleben zu dürfen. Und so liegt in den Supermärkten lauter Zeug mit Biolabel, das aber teilweise aus katastrophalen Bedingungen stammt – weil erstens die Regeln und zweitens die Kontrollen dann doch viel zu lasch sind –, und auf der anderen Seite produzieren Kleinbetriebe sehr viel nachhaltiger, ökologischer und tierfreundlicher, können sich aber kein Biolabel leisten. Obwohl sie vielleicht viel tollere Produkte haben.

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Wenn der Regionalulf beispielsweise sagt „dieser Käse hier ist auch von meiner Nachbarin“, und dazu erzählt, dass die Nachbarin ihre Kühe (zwölf Stück) morgens vor seinem Haus vorbei auf die Weide und abends wieder zurück in den Stall treibt, dann kann ich so einen Käse mit deutlich mehr Genuss essen, als irgendein Supermarkt-„Bio“-Produkt, bei dem ich so gar nichts über die Herkunft weiß. Zum Thema Regionalität gab es übrigens neulich einen Fernsehbeitrag, in dem gezeigt wurde, dass ein bestimmter „Regional“-Käse aus dem Supermarkt zwar durchaus irgendwie aus der entsprechenden Region stammte, aber zum Verpacken einmal quer durch die Republik und wieder zurück kutschiert wurde. So ist das mit den Supermarktlabels.
Es gehört wohl zu den Absurditäten der Landwirtschaftspolitik oder überhaupt des produzierenden Gewerbes, dass Produkte aus Kleinbetrieben teurer sind als die aus Großunternehmen, auch wenn letztere mit Unmengen zusätzlichen Zutaten versehen und hunderte oder tausende von Kilometern transportiert werden. Aber so teuer sind sie in diesem Fall dann auch wieder nicht: Käse kostet beim Regionalulf zwischen 1,40 € und 2,95 € pro 100 gr, Fleischprodukte zwischen 1,75 € und 3,10 €. Die Lieferung kostet 5,- €, bei einem Bestellwert von 20,- € ist sie kostenlos. Das sind, grob übern Daumen gepeilt, etwa dieselben Preise, die ich auch bei „meinem“ Gemüsekistenlieferanten bezahle.
Die Produkte vom Regionalulf sind übrigens wirklich toll. Denn wir haben uns natürlich nicht nur so getroffen, sondern auch jeder eine Tüte Lebensmittel bekommen. Supertolle Mettwurst, großartige Käsesorten, mein Favorit war der Fahrenholzer Käsetopf, da hätte ich mich reinsetzen können. Ich fand sogar, dass die Butter besonders gut schmeckt, irgendwie so intensiv nach Butter.
Außerdem entzücken mich teilweise die Zutatenlisten, da gibt es beispielsweise einen Frischkäse mit folgenden Ingredienzien: Milch, Schnittlauch, Knoblauch, Salz. Vier Zutaten! Die ich alle kenne, quasi beim Vornamen! Geht doch! Und schmeckt wirklich deutlich besser als so eine Mocke aus dem Supermarkt.

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Absolut eine Offenbarung: der sortenreine Apfelsaft vom Finkenwerder Herbstprinz. Der ist mir allerdings mit 1,50 € für das Minifläschchen mit 0,2 l, also 7,50 pro Liter, dann doch ein klitzekleines bisschen zu teuer für den Alltagsverbrauch. Andererseits: früher habe ich am Tag eine Schachtel Zigaretten für 5,- € geraucht. Dann kann ich auch für das gleiche Geld Apfelsaft trinken.

Beim Regionalulf kann man also aus einem kleinen, feinen Sortiment bis Mittwochs bestellen, Freitags wird geliefert. Passend zum Wochenende, wenn man Besuch bekommt oder selbst Besuch ist und etwas Gutes mitbringen möchte. Das ist alles überhaupt kein bisschen überkandidelt, nicht zu teuer, es sieht hübsch aus und ist wirklich lecker. Was ich mir wünsche: auch noch Mittwochnachmittags bestellen zu können. Denn dann kommt meine Gemüsekiste mit dem kompletten Wocheneinkauf, und dann stelle ich immer fest, was noch fehlt. Wenn ich das dann zu Freitag beim Regionalulf nachbestellen könnte … perfekt. Aber *fast* genau so ist es ja auch.
Ich hoffe sehr, dass solche Ideen Schule machen und regionale Kleinanbieter sich so gut vernetzen, dass man die Produkte auch als großstädtische Verbraucherin ohne allzugroßen Aufwand kaufen kann. Am 6. Oktober ist beispielweise der, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: bundesweite Tag der Regionen. Hihi. Unter „Websites der Länder“ ist Hamburg leider nicht aufgeführt, per Google findet man die Termine vom letzten Jahr. Go, go, go, Regionalulf! Oder irgendjemand anders!

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* „Ulf? Das doch kein Name fürn Mann wie dich.“
Der Name „Regionalulf“ kommt von Maximilian und mir. Ulf Schönheim hat es mit Fassung getragen.

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Alle Fotos von Maximilian.

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Dieser Artikel gehört lose zu einer Reihe über den Versuch, irgendwie anständiger zu konsumieren. Bisherige Teile:
1. Einleitung: Besser ist das
2. Fleisch
3. Gemüse
4. Schokolade und Kaffee
5. Zwischenbemerkung
6. Geld
7. Kleidung

13 Kommentare

  1. Birgit Donnerstag, 9. Mai 2013 um 13:57 Uhr [Link]

    Hallo Isa

    ich habe das Glück, auf dem Land zu leben, wo ich kurze Wege habe, um mich mit guten Grundnahrungsmitteln einzudecken. Ich weiß, wo die Hühner herum laufen, von denen ich die Eier habe, ich kenne die Weiden der Rinder und Schafe, und kann sicher sein, kein Fleisch aus Massentierhaltung zu bekommen usw. In einer Großstadt stelle ich mir das sehr schwierig vor und die Alternative, die Du geschildert hast, hört sich sehr verlockend an. Und ich bin überzeugt: wenn man gute Produkte kauft, saisonale Angebote berücksichtigt und viel selber kocht ist das nicht teurer als wenn man den ganzen fertigen Mist im Supermarkt kauft (ja, ich weiß ganz ohne Supermarkt geht es auch nicht, aber wie bei allem im Leben macht ja die Dosis das Gift). Und wenn viel darüber geschrieben und geblogt wird, dann verbreitet sich das sicher und findet immer mehr Anhänger. Also bitte weiter so :-)!

    Liebe Grüße
    Birgit

    • Isabel Bogdan Donnerstag, 9. Mai 2013 um 15:52 Uhr [Link]

      Ich glaube, so ein Regionalulf ist nicht wirklich eine Alternative für den großen Wocheneinkauf, dafür ist das Sortiment dann doch zu klein. Aber ich habe ja meinen Gemüselieferanten, und wir gehen tatsächlich nur noch für Apfelsaft in den Supermarkt. In Großstädten gibt es außerdem auch immer mehr Biosupermärkte und Wochenmärkte und sowas.
      Ich stelle es mir in Kleinstädten sehr viel schwieriger vor, wo es kaum Bioläden gibt, aber eben auch keine kleinen Landwirte mehr.

  2. Steffen Donnerstag, 9. Mai 2013 um 15:46 Uhr [Link]

    Ein Hoch auf alle Ulfs, die in Hannover Fred heißen. Und auf ihre Produkte!

    • Isabel Bogdan Donnerstag, 9. Mai 2013 um 15:49 Uhr [Link]

      Wenn Du einen Link zu Fred hast, stell ihn gerne hier rein – vielleicht lesen ja noch mehr Hannoveraner mit. „Regionalfred“ ist ja auch ein sehr schöner Ehrentitel.

  3. Der Regionalulf Montag, 13. Mai 2013 um 14:32 Uhr [Link]

    Hallo zusammen,

    vielen Dank für Ideen, Lob und Hudelei! Da eigne ich mir doch sehr gern einen neuen Spitznamen an. :)

    Isa: Über Mittwochnachmittag können wir natürlich reden. Unsere Zeitangabe ist eher so eine Art Richtwert. Wir sind ja keine Behörde hier. Und zum Apfelsaft: Den gibt’s natürlich auch in Literflaschen. Die nehmen wir sofort auf, wenn wir mal groß sind (und auch Pfand können).

    Steffen: Der hannoversche Regionalfred würde mich auch mal interessieren. Träger einsilbiger Vornamen der Regionen, vereinigt euch!

    Es grüßt:
    Euer Regionalulf

  4. Stephan Montag, 13. Mai 2013 um 15:28 Uhr [Link]

    Wenn alle Regionalülfe so prima sind, würde ich gerne die Frankfurter Ausgabe kennenlernen. Kann da jemand einen Kontakt machen?

  5. Der Regionalulf Montag, 13. Mai 2013 um 15:45 Uhr [Link]

    Ah, genau, und der korrekte Plural für Ulf lautet natürlich Ülfe. So viel Beugung muss sein. Danke für die Erinnerung, Stephan! Einen Frankfurter Regional(hier einsilbigen Namen einfügen) kenne ich leider nicht – noch nicht.

  6. derkreuzberger Donnerstag, 23. Mai 2013 um 09:49 Uhr [Link]

    Wie toll ist das denn? Weiß vielleicht jemand, ob es auch einen Berliner Regionalulf, -fred oder -paul gibt? Dit fänd ick knorke.

  7. derkreuzberger Donnerstag, 23. Mai 2013 um 10:33 Uhr [Link]

    @Isabel: An den Horst hatte ich auch kurz gedacht, finde ihn aber auch eher pejorativ (ein neues Wort für mich – danke, Regionalulf!).

    @Regionalulf: Nochmal danke – werde mir Deine Tipps mal in Ruhe ansehen!

    • Der Regionalulf Donnerstag, 23. Mai 2013 um 10:41 Uhr [Link]

      Ach, und es in Berlin wie in Hamburg gibt’s Initiativen, die sich darum kümmern wollen, eine finanzielle Basis für Regionalülfe zu legen (und für andere Dinge, die mit guten regionalen Lebensmitteln zusammenhängen). Wenn du Interesse an einem Kontakt in Berlin hast, schreib mir gern eine kurze Mail an ulf.schoenheim@regionalwaren.net.

  8. Was machen die da? Ulf Schönheim, Regionalulf Dienstag, 19. August 2014 um 11:34 Uhr [Link]

    […] einiger Zeit habe ich den Regionalulf hier schon einmal kurz vorgestellt. In der Zwischenzeit haben wir uns angefreundet, und jetzt haben Maximilian und […]

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