Mitgliederversammlung des VdÜ (Pressemitteilung)

Hinrich Schmidt-Henkel als Vorsitzender des Übersetzerverbandes VdÜ wiedergewählt – Vergütungsverhandlungen durch Hanser und andere Verlage abgebrochen

Auf seiner diesjährigen Mitgliederversammlung am 2. und 3. 3. hat der Verband der Literaturübersetzer VdÜ den renommierten literarischen Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel (Céline, Fosse, Ibsen) für eine weitere vierjährige Amtszeit als 1. Vorsitzender bestätigt. Als 2. Vorsitzender wurde Luis Ruby wiedergewählt. Die Gremien des Verbandes (Vorstand und Honorarkommission) und zahlreiche weitere Amtsträger wurden ebenfalls bis 2017 neu gewählt.

Schmidt-Henkel sagte nach der Wahl:

„Ich danke den Mitgliedern für das Vertrauen und freue mich auf die Zusammenarbeit mit den neuen Gremien. Sie verkörpern in ihrer Besetzung die Tradition unseres bald 60jährigen Verbandes und seine Jugendlichkeit.
Nachdem vor einigen Tagen die laufenden Vergütungsverhandlungen von den daran beteiligten Verlagen abgebrochen wurden, wird es unsere wichtigste Aufgabe sein, rasch an den Verhandlungstisch zurückzukommen, sobald das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde des Hanser-Verlags entschieden hat.“

Die Vergütungsverhandlungen des Verbandes mit einigen Hardcover-Verlagen waren sehr weit gediehen; jetzt aber teilte man dem Übersetzerverband mit, man wolle bis zur Entscheidung des BVErfG keine weiteren Verhandlungstermine abhalten. Die Verfassungsbeschwerde des Hanser-Verlags richtet sich gegen die BGH-Urteile zur Übersetzervergütung, aber auch gegen Teile des zugrunde liegenden Gesetzes.

Die Mitgliederversammlung des VdÜ zeigte sich über den Abbruch enttäuscht und verärgert.

Hinrich Schmidt-Henkel hierzu:

„Ich teile diese Verärgerung. Egal wie die Verlage es nennen, dies ist ein Abbruch der Verhandlungen. Niemand weiß, wann Karlsruhe entscheidet, niemand weiß, wie die Entscheidung inhaltlich ausfällt, niemand weiß, was die bisherigen guten Verhandlungsergebnisse dann noch wert sind. Es ist eine bittere Enttäuschung: Unsere Verhandlungspartner haben den Weg der gemeinsamen Einigung verlassen und hoffen darauf, dass das Gericht ihnen das Recht des Stärkeren bestätigt und überhaupt die gesetzliche Verpflichtung zu angemessenen Verträgen kippt. Die Übersetzer und alle Urheber hoffen das Gegenteil, damit ihnen die vom Gesetzgeber beabsichtigte angemessene Vergütung künftig zuteil wird – zwölf Jahre nach Verabschiedung des ’Stärkungsgesetzes’.“

19 Kommentare

  1. Feathers McGraw Montag, 4. März 2013 um 12:42 Uhr [Link]

    Ach schau, ich kenne den Herrn Schmidt-Henkel aus „Karambolage“ – schaust du das eigentlich auch? Das ist so eine reizende und interessante kleine Sendung, die verpasse ich eigentlich nie (also online, wo ich wohne gibts kein Arte)

  2. Isabel Bogdan Montag, 4. März 2013 um 13:23 Uhr [Link]

    Ich kann ja kein Fernseh. Karambolage habe ich tatsächlich noch nie gesehen. Versäumnis, hm? Das macht Hinrich schon ewig, glaube ich.

    • Isabel Bogdan Montag, 4. März 2013 um 13:35 Uhr [Link]

      Gerade mal reingeguckt – das ist ja wirklich total nett. Fast wie die Sendung mit der Maus.

  3. Feathers McGraw Montag, 4. März 2013 um 13:36 Uhr [Link]

    Die Folgen sind nur ca 10 Minuten lang, hier mal einen zum Reinschnuppern:

    http://videos.arte.tv/de/videos/karambolage-sendung-vom-10-februar-2013–7314494.html

  4. Feathers McGraw Montag, 4. März 2013 um 13:38 Uhr [Link]

    Die Folge die ich verlinkt habe hat auch den Herrn Schmidt-Henkel drin.

  5. Helge Montag, 4. März 2013 um 17:39 Uhr [Link]

    Worum geht es dem Hanser-Verlag, gegen was klagen die denn?

    Ich kenne den Verlag nur als eher mittelprächtige Quelle von Fachbüchern zumeist deutscher Autoren. Ist Hanser ein großer Auftraggeber für Übersetzer?

    • Isabel Bogdan Montag, 4. März 2013 um 18:04 Uhr [Link]

      Ja, das ist einer der großen literarischen Vorzeigeverlage mit Autoren wie T.C. Boyle oder David Grossmann.
      Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um Folgendes:
      Der BGH hat in einem Urteil verkündet, dass den Übersetzern bestimmte Anteile an den Nebenrechten zustehen, die der Verlag verkauft. Sprich: wenn ein Buch zuerst im Hardcover erscheint und anderthalb Jahre später auch als Taschenbuch kommen soll, dann kauft ein Taschenbuchverlag die Rechte vom Hardcoververlag. Das Geld, das dabei fließt, wird üblicherweise meist 60:40 zwischen Autor und Verlag geteilt. Der BGH hat nun beschlossen, dass dem Übersetzer ein Fünftel des Autorenanteils zusteht. Bislang bekamen wir gerne mal gar nichts, oder sowas wie 10% vom Verlagsanteil.
      Rechenbeispiel: Der Taschenbuchverlag hat 10.000,- € für die Rechte bezahlt. Davon bekommt der Hardcoververlag also 4000,- €, der Autor 6000,- €. Der Übersetzer bekam bislang nichts, oder 10% vom Verlagsanteil, also 400,- €.
      Jetzt soll der Übersetzer laut BGH ein Fünftel des Autorenanteils bekommen, zahlbar aber natürlich nicht aus dem Anteil des Autors, sondern aus dem des Verlags. Also ein fünftel von 6000,- €, das sind 1200,- €. Was dreimal so viel ist wie 400,- €.
      Jetzt gibt es ja in der deutschen Verlagslandschaft vor allem die großen Verlagskonzerne. Da werden die Taschenbuchrechte oft nicht groß verkauft, sondern die Taschenbuchverwertung findet im eigenen Konzern statt. Die Konzernverlage müssen also nicht so viel an die Übersetzer abgeben wie die reinen Hardcoververlage, wie Hanser einer ist. Diese Verlage sind im Moment unsere Verhandlungspartner, und sie behaupten, so sehr auf die Lizenzverkäufe angewiesen zu sein, dass das eine unbillige Härte darstellen würde. Und deswegen hat Hanser nun Verfassungsbeschwerde eingelegt. Weil sie sich den Konzernverlagen gegenüber benachteiligt fühlen, weil sie etwas abgeben sollen.
      Und so geht es seit 12 Jahren: alle wissen, dass die Übersetzer mehr Geld kriegen müssen, das steht sogar so in der Gesetzesbegründung, aber es passiert genau gar nichts. Weil bei aller mathematischen Geschicklichkeit verblüffenderweise immer dasselbe herauskommt, nämlich: wenn die Übersetzer mehr bekommen sollen, müssen die Verlage mehr zahlen. Und das wollen sie nicht, daher verzögern sie die Verhandlungen, und verzögern und verzögern und verzögern. Seit geschlagenen 12 Jahren. Das ist alles sehr, sehr ermüdend.

      [Zur Erinnerung: Studie zur Einkommenssituation der Literaturübersetzer]

  6. Brigitte Große Montag, 4. März 2013 um 22:18 Uhr [Link]

    Es geht noch weiter: Sie wollen das „Stärkungsgesetz“ kippen, das, wie der Name sagt, die Urheber gegenüber den Verwertern stärken sollte; deshalb die Klage vor dem Verfassungsgericht: Weil das Gesetz die Vertragsfreiheit einschränkt; die aber natürlich nicht gegeben ist, wenn einer diktiert und der andere nur unterschreibt. Und das betrifft nicht nur die Übersetzer, sondern alle Urheber

    • Isabel Bogdan Montag, 4. März 2013 um 22:32 Uhr [Link]

      Haha, die sind lustig. Sie (=die Verlage) sind doch diejenigen, die die Verträge diktieren, und wir sind diejenigen, die sie unterschreiben müssen, weil uns nichts anderes übrigbleibt. Von Verhandlungen auf Augenhöhe kann ja keine Rede sein.

    • Helge Dienstag, 5. März 2013 um 06:57 Uhr [Link]

      In der wenig guten alten Zeit, in ganz anderen Branchen, wurde solchem Ungleichgewicht durch Streik entgegengewirkt. Die dafür benötigte Solidarität lässt sich heute kaum noch in den traditionellen Branchen aufbringen.

      Gehe ich richtig in der Annahme, dass es bei Übersetzern in der Hinsicht ebenfalls nicht möglich ist organisiert und solidarisch zu handeln? Wenn man immerhin 12 Jahre Zeit gehabt hat?

    • Isabel Bogdan Dienstag, 5. März 2013 um 09:04 Uhr [Link]

      Wir sind ja alle Freiberufler. Jeder von uns sitzt zu Hause an seinem Schreibtisch und arbeitet an einem Buch. Irgendwann ist Abgabetermin. Mein nächster Abgabetermin ist der 15.3., dann der nächste der 15.6. Vielleicht muss Brigitte Große am 1.4. etwas abgeben, Kollege Müller am 1.5. und Kollegin Meier am 15.5.
      Wenn wir jetzt alle streiken und eine Woche lang nicht übersetzen – was dann? Dann ändert sich erstmal nichts an den Abgabeterminen. Wir legen keine Produktion lahm oder so. Wir müssten also sagen: alle geben das Buch, an dem sie jetzt gerade arbeiten, erst eine Woche später ab als vereinbart. Das würde genau gar nichts bewirken, weil die Verlage sowieso ein bisschen Zeit für alle weiteren Schritte bis zum fertigen Buch einplanen. Dann machen sie halt ein bisschen schneller mit Lektorat, Korrektorat, Satz usw. So ein paar Tage machen rein gar nichts.
      Um den Verlagen durch verspätetes Abgeben richtig wehzutun, ihnen ein echtes Problem zu bereiten, müssten wahrscheinlich alle (zumindest die 1300 im Verband organisierten) Kollegen das Buch, an dem sie gerade arbeiten, drei Monate später abgeben oder so. Dann würde es in den Verlagen vielleicht schwierig.
      Allerdings müssten wir in den drei Monaten halt genauso weiterarbeiten und dann zwei Bücher gleichzeitig abgeben; ich würde also beispielsweise am 15.6. beide Bücher abgeben, an denen ich gerade sitze. Denn wovon sollen wir sonst leben? Wenn wir nicht übersetzen, kommt kein Geld rein. Wir bekommen ja kein Gehalt, das weitergezahlt würde, wenn wir streiken. In den Verlagen würde normal weitergearbeitet, sie würden die Arbeit umverteilen, um die Übersetzungen hinterher schneller weiterzuverarbeiten, und die Öffentlichkeit würde davon vermutlich nicht mal etwas merken.
      Ich glaube, wir sind ziemlich gut organisiert, und wir sind auch solidarisch. Jeder von uns verhandelt um jedes neue Buch, so gut er kann. Gleichzeitig wird andauernd geklagt (bis es zum Bundesgerichtshof ging, sind viele Jahre vergangen), verdi jault schon, dass sie kein Geld mehr haben, weil die Übersetzer den Rechtsschutz so rege in Anspruch nehmen, um Honoraranpassungen einzuklagen, und das dritte, was wir versuchen, sind die offiziellen Verhandlungen mit den Verlegern, die seit 12 Jahren immer wieder scheitern.
      So sieht’s aus. Wir sitzen an einem sehr, sehr kurzen Hebel.

    • Helge Dienstag, 5. März 2013 um 21:18 Uhr [Link]

      Ich will nicht kritisieren, dass man in Ihrer Branche glaubt nicht Streiken zu können. Meine bekommt das ja auch nicht mehr zusammen. Trotzdem ich glaube, Sie denken oben etwas zu kurz.

      Streikende Gewerkschaftler in der Industrie bekommen auch kein Lohn oder Gehalt. Die bekommen Geld aus der Streikkasse. Die ist über Jahre hinweg aus den Mitgliedsbeiträgen gefüllt worden. Wenn Übersetzer 12 Jahre hin gehalten wurden, ist es dann nicht mal Zeit an das Füllen einer solchen Kasse zu denken?

      Und wer sagt, dass man alle Verlage bestreiken muss? Das macht in der Industrie auch niemand. Einen raus suchen. Dann kommt es natürlich auf die Solidarität an, dass niemand trotzdem für ihn arbeitet.

      Ebenso, warum Abgaben verzögern? Ab einem Stichtag keine neuen Aufträge von einem Verlag annehmen. Das dürfte den Arbeitstag von Verlagsmitarbeitern plötzlich sehr interessant gestalten.

    • Isabel Bogdan Dienstag, 5. März 2013 um 22:37 Uhr [Link]

      Angenommen, wir alle nehmen keine Aufträge von Random House-Verlagen mehr an – dann bedeutet das, dass die Hälfte von uns nichts mehr zu tun hat und kein Geld verdient. Und dass die Aufträge womöglich für noch weniger Geld an unerfahrene Kollegen gehen, die nicht im Verband sind.
      Bestreiken wir einen kleineren Verlag, dann geht der kleine Verlag schlimmstenfalls pleite. Das dürfte den großen Konzernen vermutlich zehn Meter irgendwo vorbeigehen, if you pardon my french.
      Seit ich im VdÜ bin, seit 12 Jahren, kommt das Thema immer mal wieder auf und ist von gewiefteren Gewerkschaftern als mir hundert Mal durchdacht worden. Es funktioniert nicht.

  7. Isabel Bogdan Dienstag, 5. März 2013 um 09:18 Uhr [Link]

    Einen guten Überblick über den Vergütungsstreit gibt es hier. (Geht allerdings nur bis 2009.)

  8. kelef Mittwoch, 6. März 2013 um 00:41 Uhr [Link]

    nun, ich denke zum thema „warum streiken sinnlos ist“ ist alles gesagt worden: die übersetzer würden sich nur in das eigene fleisch schneiden, den verlagen wäre es wurscht; die warten halt ein bisserl länger und schieben die schuld den übersetzern zu, und zwar nicht nur die schuld für das verspätete erscheinen, sondern auch die schuld an den miesen übersetzungen, die dann schnell-schnell von unerfahrenen neubeginnern und me-too-übersetzern (englisch, z.b., lernt ja jeder in der schule und deutsch ist sowieso muttersprache) in aller eile gemacht werden.

    im übrigen haben sie auch sehr schön erklärt – wenn auch durch die blume – warum ich seinerzeit vor langer zeit schon festgestellt habe, literaturübersetzer ist eine brotlose kunst, und für fachübersetzungen muss man erst einmal das fach beherrschen, vom vokabel auswendig lernen kommt gar nix.

    hat sich dann in der praxis auch so bewiesen.

    ein streik wäre nur wirkungsvoll, wenn länderübergreifend wirklich alle freiberuflichen übersetzer an einem strang ziehen würden und ein jahr oder länger wirklich niemand eine übersetzung abliefern würde. das zöge allerdings nicht nur den hungertod vieler alleinstehender übersetzer nach sich, die sich von den salären ja wenig zur seite haben räumen können, sondern die überlebenden sähen sich mit pönalzahlungen in unübersehbarer höhe konfrontiert. ein paar kleine verlage wären zum schleuderpreis auf dem markt, und die grossen würden die pönalzahlungen, die sie allerdings nie kassieren könnten (merke: einem nackten kann man nicht in die tasche greifen) als ausstehende gewinne verbuchen und nicht einmal wirklich in die roten zahlen geraten (oder was meint jemand wie die banken das mit den offenen krediten handhaben, wenn immer mehr nicht zurückbezahlt werden können?).

    aber wenigstens das nichtvorhandensein der bücher würde dann auch das publikum merken, es sei denn, in übersee finden sich ein paar beinahe-native-speaker der achten generation deutscher auswanderer, z.b., was ja auch passieren kann, unter dem motto „besoffen oder mutig“.

    ob das publikum allerdings mitzieht an dem strang ist sehr fraglich. und was will das publikum tun? keine bücher mehr kaufen, die vorhandenen tauschen oder zum fünften mal lesen? hm.

    das alles ist eine ziemlich böse sache, und leider trifft dieses system der erpressung seitens der arbeitgeber ja nicht nur übersetzer, sondern praktisch alle sparten und branchen. nur haben einige bessere waffen zur verfügung.

  9. Stefan Mittwoch, 6. März 2013 um 11:24 Uhr [Link]

    Bei der Fotografen hat es auch 10 Jahre gedauert. Hier ein ganz interessantes Interview http://www.journalist.de/ratgeber/handwerk-beruf/menschen-und-meinungen/bildhonorare-interview-mit-djv-justiziar-benno-poeppelmann.html

  10. Isabel Bogdan Mittwoch, 6. März 2013 um 16:12 Uhr [Link]

    Der Hanser-Verlag hat auf die Pressemeldung reagiert. Nachzulesen im Buchreport und im Börsenblatt. Den offenen Brief kann man hier nachlesen.
    Hanser möchte die Verhandlungen nicht als abgebrochen verstanden wissen, sondern nur als ruhend, und sie wollen sie „zu gegebener Zeit“ fortsetzen.

  11. Isabel Bogdan Donnerstag, 7. März 2013 um 10:09 Uhr [Link]

    … und Hinrich Schmidt-Henkel kommentiert im Börsenblatt.

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