Günter Grass und die Übersetzer

Wo ich es hier gerade von Grass habe:
Man mag ja von seinen Büchern halten, was man will, aber Grass ist zumindest ein Schriftsteller, der sich sehr intensiv um seine Übersetzer kümmert – in dieser Form vielleicht sogar weltweit einzigartig, jedenfalls habe ich noch nichts Vergleichbares gehört. Er veranstaltet seit dem „Butt“ (1978) zu jedem neu erschienenen Roman ein Treffen mit seinen Übersetzern aus aller Welt. Der Steidl-Verlag zahlt, wenn ich richtig informiert bin, Unterkunft und Verpflegung der Übersetzer, der ausländische Verlag verpflichtet sich beim Kauf der Rechte gleichzeitig, seinem Übersetzer die Reise nach Deutschland zu bezahlen.
Bei diesen Arbeitstreffen stellen die Übersetzer Fragen zum Text, zu sprachlichen Besonderheiten, zu Rechercheproblemen, Konnotationen, Anspielungen etc. und berichten gleichzeitig von den Schwierigkeiten bei der Übertragung in ihre Muttersprache. Grass antwortet, so gut er kann, und wenn er nicht mehr weiterweiß, sagt er: „Lassen Sie sich was einfallen.” Weil er seinen Übersetzern vertraut, denn er kennt sie und weiß, wie gründlich sie arbeiten:

Übersetzer sind die genauesten Leser. Sie nehmen den Autor beim Wort. Unerbittlich sind sie ihm auf der Spur. Sie finden sich nicht bereit, Unverständliches oder dem Autor unterlaufene Ungenauigkeiten als ein nach diffuser Vieldeutigkeit verlangendes Symbol hinzunehmen. Sie wollen es genau wissen. Sie penetrieren den Autor.

(Günter Grass in seiner Laudatio „Lob der Vielseitigkeit“ für den Übersetzer, Schriftsteller und Germanisten Per Øhrgaard zur Verleihung des Henrik-Steffen-Preises 2001 in Kiel.)

Nachzulesen ist das alles in diesem hübschen Buch.

2 Kommentare

  1. herr paulsen Mittwoch, 19. Januar 2005 um 20:17 Uhr [Link]

    Jetzt wird mir EINIGES klar!

  2. isabo Donnerstag, 20. Januar 2005 um 15:18 Uhr [Link]

    Herr Paulsen, dann hab ich hier doch gleich noch ein Grass-Zitat für Sie:
    „Beim Schreiben kann ich keinerlei Rücksicht auf die Übersetzer nehmen. Wenn ich damit anfinge, würde ich in einer faden Allerweltssprache schreiben, flach, geruchlos und geschmacklos.“
    Sie verstehen schon.

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